Song
Laufzeit
3:40 Minuten
Entstehungszeit und Veröffentlichung
1981 (Entstehung und Veröffentlichung auf dem Album "Psychoterror" von Drahdiwaberl)
Single-Auskopplung
1982
Musik, Text und Produktion
Musik: Falco, Thomas Rabitsch
Text: Stefan Weber
Produzent: Markus Spiegel, Peter J. Müller (?)
Über den Song
Diese Nummer ist auf dem Erstlingsalbum „Psychoterror“ von Falcos damaliger Band Drahdiwaberl zu finden. Falco war zu dieser Zeit noch kein Solokünstler, sondern lediglich Bassist und Bandmitglied bei dieser Wiener Undergroundkombo. Auf der LP findet sich jedoch auch schon der erste von Falco allein aufgeführte und geschriebene Song Ganz Wien. Das Album diente Falco also als Sprungbrett für seine Karriere, auch weil Markus Spiegel, der Chef der Plattenfirma GIG Records, bei der auch dieses Drahdiwaberl-Album erschienen ist, Falco gleichzeitig einen Plattenvertrag als Solokünstler anbot.
Produziert wurde die LP Ende 1980 von Markus Spiel (und wohl auch von Peter J. Müller) und dieser Song, bei dem Falco gemeinsam mit Thomas Rabitsch, seinem späteren Bandleader und noch späterem Songwriting-Partner, die Musik geschrieben hat, ist ein typischer Albumfüller. Er beginnt mit einer schnellen Bassline, kurz darauf setzt das Keyboard und die Stimme Stefan Webers ein. Nach jeder Strophe folgt eine kurze Bridge, eine weitere Überleitung steigert das Tempo, es folgt jedoch kein typischer Refrain, sondern lediglich ein abruptes Ende bevor dann Falco den Gesang für eine kurze Zeit übernimmt und den Satz „Hilf, lieber Gott!“ skandiert. Im Mittelteil setzt dann ein gelangweiltes Saxophon-Solo ein, das Lied versiegt nach einer weiteren Wiederholung der Überleitung und Falcos Text- und Stimmbeitrag im langsamen Gitarren- und Keyboard-Outro.
Es ist unklar, welchen Teil der Musik Falco geschrieben hat, vielleicht ist seine Autorenschaft im erwähnten „Hilf, lieber Gott!“ zu finden, auch die Textzeilen „Man beißt sich ab das Zungerl, man kotzt sich aus das Lungerl, das ist der Großstadtdschungel“ und auch „Hinter jeder Ecke lauert der Tod“ klingen wie typische Falco-Lyrics zu jener Zeit.
Inhaltlich behandelt der Song ein immer wiederkehrendes Thema in Texten von Stefan Weber: es geht sehr sarkastisch und ironisch um den angeblichen Zerfall von gesellschaftlichen und (leit-) kulturellen Werten. Webers beißende Sozialkritik am österreichischem Kulturpessimismus, an Rassismus und Vorurteilen der Wiener Seele gipfelt dann in Falcos Schrei nach römisch-katholischem Gottesbeistand. Im Großststadtdschungel verfallen die Sitten und der Anstand, Weber karikiert am rechten Rand des politischen Spektrums angesiedelte Stammtischmeinungen, sein Schlusssatz „Auf die Straße geh‘ ich nicht mehr ohne Schusswaffe, die einzige Rettung wär‘ die Todesstrafe“ fasst griffig-entlarvend populistische Forderungen zusammen.
Die Nummer wurde 1982 als B-Seite der Single „Supersheriff“ vom nächsten Drahdiwaberl-Album „McRonalds Massaker“ ausgekoppelt. Warum hier kein Song vom gleichen Album für die Single-Rückseite verwendet wurde, ist unklar – vielleicht wollte man auch nur den Namen Falco (der zu dieser Zeit dank seines Hits Der Kommissar bereits ein Star war) irgendwie auf der Platte abdrucken. Auf der Single wird der Name dieses Songs übrigens mit "Großstadtmelodie" angegeben. Die Single schaffte es nirgends in die Charts, auch Video wurde dafür keines gedreht. Das Lied wurde jedoch regelmäßig von Drahdiwaberl auf Konzerten gespielt.
Der Song ist ein typischer Drahdiwaberl-Song, er wird dominiert von Stefan Webers Lyrics und Sprechgesang. Interessant ist er jedoch durch den Umstand, dass Falco in einer prominenten Passage singt und auch als Co-Autor der Musik aufgeführt wird. Da Falco Zeit seines Lebens sehr wenig zur Musik seiner Songs beziehungsweise auch, wie hier, zur Musik seiner Kooperationspartner beitrug, ist eine Anführung dieser Nummer in diesem Rahmen gerechtfertigt – auch wenn unklar ist, welche Passagen aus der Feder Falcos stammen.
Text
Psst!
Es wird schon dunkel
Schunkel, schunkel, schunkel
Man beißt sich ab das Zungel
Man kotzt sich aus das Lungerl
Das ist der Großstadtdschungel
Das ist der Großstadtdschungel
Im Kino spielen sie Schmutz und Schund
An jeder Ecke pischt ein Hund
Käufliche Liebe
Zeitungsdiebe
Perverse, zügellose, rohe Triebe
Man beißt sich ab das Zungel
Man kotzt sich aus das Lungerl
Das ist der Großstadtdschungel
Das ist der Großstadtdschungel
Striptease vor Schülern an der Friedhofsmauer
Im Rondell-Kinosessel pickt der kalte Bauer
Die U-Bahn im Terror der Schwarzfahrer
Die zahlenden Fahrgäste werden immer rarer
Man beißt sich ab das Zungel
Man kotzt sich aus das Lungerl
Das ist der Großstadtdschungel
Das ist der Großstadtdschungel
Ich habe Angst
Ich verrecke
Bleib auf der Strecke
Ersticke im Kot
Runter kommt die Decke
Hinter jeder Ecke lauert der Tod
Hilf, lieber Gott!
Im Park ein wichsender Kinderschreck
Eck, Speck, Dreck und du musst weg
Der Balkantschusch isst ohne Besteck
Er versaut unsere Häuser mit seinem Dreck
Und ist keck
Das ist der Großstadtdschungel
Das ist der Großstadtdschungel
Das Pissoir besudelt
Der Häuslschmierer
Bettelmusik, Schwarzseher, Wildplakatierer
Wollen wir im Chaos versinken, Leute?
Nie war ein moralischer Hüter notwendiger als heute
Das ist der Großstadtdschungel
Das ist der Großstadtdschungel
Der aufrechte Bürger
Erkennt gleich den Würger
Er sieht schon rot
Da gibt’s keinen Zweifel
Dahinter steckt der Teufel
Das ist ein Komplott
Hilf, lieber Gott!
Ich habe Angst
Ich verrecke
Bleib auf der Strecke
Ersticke im Kot
Runter kommt die Decke
Hinter jeder Ecke lauert der Tod
Hilf, lieber Gott!
Auf die Straße geh' ich nicht mehr ohne Schusswaffe
Die einzige Rettung wär' die Todesstrafe
Anmerkung: Bei den normal dargestellten Textbausteinen singt Falco alleine, bei den kursiven singt Stefan Weber.
Meine Textfassung beruht, falls vorhanden, auf den Textbeilagen der offiziellen Veröffentlichungen (Booklet, Inlay, Cover etc.). Allerdings wurden alle Texte abgehört und nach dem gesungenen Wort korrigiert. Bei Songs, bei denen keine Textbeilagen verfügbar sind, basiert meine Fassung ausschließlich auf dem gesungenen Wort bzw. auch auf im Internet kursierenden Versionen. Textpassagen, die im Dialekt gesungen wurden, stehen in gemäßigter Transliteration. Rechtschreibfehler, sowohl deutsche als auch englische, wurden in eklatanten Fällen korrigiert. Die Rechtschreibung beruht teils auf der zur jeweiligen Zeit gültigen (Textbeilagen), teils auf der neuen Rechtschreibung (eigene Abhörungen). Auf Satzzeichen wurde im Allgemeinen verzichtet. Für Verbesserungsvorschläge bin ich dankbar.