Studio Album

Junge Roemer

Mai 1984
GIG Records Austria
Charts: #1 AUT, #76 GER (2023)

Über das Album

Wie leicht hätte es sich Falco nach dem Erfolg seines Debutalbums Einzelhaft machen können – die Erfolgsformel (moderne Pop- und Rockmusik mit kritisch-witzigen Texten auf Deutsch, dargeboten von einem jungen, charismatischen Künstler mit dem Anspruch ein Star und nicht nur ein Liedermacher sein zu wollen) war gefunden, mit Robert Ponger hatte Falco einen Produzenten und Songwriter in Personalunion und nichts sprach dagegen, die bewährte Rezeptur nochmals auf dem nächsten Album zu verwenden. Doch Falco wollte mehr: Sein zweites Album sollte internationaler sein, polierter, geschliffener und anspruchsvoller als das Erstlingsalbum. Nicht nur sollte es einen Gegenentwurf und gleichzeitig einen Frontalangriff auf den geselligen Authentizitätsterror des Austropop darstellen, nach dem weltweiten Erfolg von Der Kommissar wollte Falco bei diesem Album auch dem globalen Markt näherkommen, die Texte sind daher auf dem Nachfolgealbum deutlich multilingualer.

Falco singt nicht nur in Deutsch und Englisch, sondern auch erstmals auf Französisch und Italienisch. Er wollte sich bewusst nicht wiederholen (Zitat: "Ein Nachzieher für Der Kommissar kam nicht in Frage. Ich wollte mir damit nicht die Zukunft verbauen"). Ziel war es, sowohl das Album als auch Falcos Image schärfer, genauer und auch eleganter zu machen. War das erste Album Einzelhaft noch sehr stark von einem lokalen, authentischen Hintergrund bestimmt (in der Auswahl der Themen, der Musiker, der Sprache) schnitt Falco nun sehr bewusst viele dieser Wiener Wurzeln ab. Nie wieder war Falco weiter von seinen Ursprüngen in der österreichischen Musikszene entfernt (obgleich er mit den folgenden Alben diesen Weg dann wieder zurückging, bis er schließlich rund zehn Jahre später dem Dunstkreis des Austropop so nahe wie nie zuvor kommen sollte).

Die Entstehungsgeschichte des Albums ist eine berüchtigte: nachdem Falco 1982 mehr oder weniger ausschließlich damit zugebracht hatte, seinen Hit Der Kommissar in aller Welt zu vermarkten und zu promoten, begannen schließlich 1983 die Arbeiten zum Folgealbum. Gekennzeichnet waren diese von einem erstmals einsetzenden Erfolgsdruck, unter den sich Falco gesetzt fühlte und einer damit einhergehenden Schreibblockade. Falcos Angst davor als One Hit Wonder in die Annalen der Popgeschichte einzugehen, sorgte dafür, dass die Einfachheit, Spontanität und Lockerheit des ersten Albums nicht wiederholt werden konnten. Teilweise arbeitete Falco einen Monat an einem Text, nur um ihn dann schlussendlich ungebraucht wegzuwerfen. Die Arbeitsteilung, die bisher halbwegs gut funktioniert hatte (Robert Ponger schreibt die Musik, Falco verfasst dazu seine Texte), geriet aufgrund dieser Probleme schwer ins Stocken. Das wiederum führte dazu, dass der Erscheinungstermin des Albums immer wieder nach hinten verschoben werden musste, was Falco freilich nicht daran hinderte, bereits von der umwerfenden Qualität der LP zu schwärmen, von der noch nicht mal alle Songs fertig waren. Die Erwartungshaltung (und die Kosten der Platte, das Album war lange Zeit die bei weitem teuerste Platte, die je in Österreich produziert wurde), die durch solche Interviews immer weiter stieg, produzierten dann natürlich noch schlimmeren Schreibhemmungen… Zu diesen schwierigen Produktionsbedingungen kamen in weiterer Folge dann auch atmosphärische Störungen zwischen dem Künstler und seinem Produzenten, was schlussendlich zur Konsequenz hatte, dass Falcos zweite LP das letzte Album sein sollte, das Falco mit Robert Ponger in den 1980ern aufnehmen sollte.

In mehreren Interviews im Jahr 1983 nannte Falco "Verbotener Planet" als den geplanten Arbeitstitel, später war dann "Hoch Wie Nie" (der Titel eines der ersten fertiggestellten Songs) im Gespräch. Gerüchteweise war auch eine (nach dem Vorbild vieler deutscher Bands wie Kraftwerk, Nena oder auch Hubert K) rein englischsprachige Version des Albums in Planung, eine Idee, die wohl auch aufgrund der Tatsache, dass Falco lange Zeit nicht mal seine deutschen Texte fertig hatte und auch aufgrund der mehrmaligen Verschiebung der Veröffentlichung, nicht realisiert wurde. Schließlich wurde das Album Junge Roemer genannt, sicherlich die beste Wahl. Es ist kein Zufall, dass Falco die grammatikalisch richtige Schreibweise mit "ö" durch die international besser verwendbare mit "oe" ersetzt hat, wollte er dieses Album doch so international wie möglich anlegen (es ist eine Ironie des Schicksals, dass das die Schreibweise mit "ö" nach wie vor auf vielen offiziellen Veröffentlichungen benutzt wird).

Der Titel des Albums ruft nicht nur Assoziationen mit dem alten Rom hervor, auch dessen Dekadenz und Niedergang schwingen mit. Nebenbei referenziert es auch subtil-charmant auf David Bowies Werk "Young Americans". Die Musik auf Falcos zweitem Album ist, im Gegensatz zum Debutalbum, nicht mehr so organisch, lebhaft und subversiv, vielmehr war die Zielrichtung, sowohl Musik als auch Texte kühler, abgehobener und eleganter zu machen. Dazu kommt sicher die lange Produktionszeit, man merkt vielen Songs eine Art Überproduziertheit an, alles klingt abgeschliffen, rund und manchmal auch etwas weichgespült, es ist, wie es Falcos Manager Horst Bork formuliert, "ein Werk ohne Kanten und Ecken, abgeschliffen, rund und stromlinienförmig". Wo auf Einzelhaft die Instrumentierung noch roh und unangepasst geklungen hat, findet man hier viel subtilere, sauberere und leider damit auch musikalisch blutleerere Songs.

Es ist sicherlich Falcos systematischstes, überlegtestes und kältestes Album, vielfach wurde es später vor allem in der britischen Presse als österreichisches Pendant zu ABCs "The Lexicon Of Love" bezeichnet. Alles auf diesem Album gibt sich piekfein, ist gleichzeitig bewusst oberflächlich und steril. Es ist ein extrem unspontanes Werk, vielmehr scheint alles geplant, konzeptioniert und durchdacht. Diesem Gesamtkonzept dienen auch Falcos Texte. Diese sind wesentlich kryptischer als bisher, Falco wirft seinen Hörern teilweise nur noch Assoziationsbrocken, Slogans, Sprechblasen hin. Falco selbst meinte zur Veröffentlichung, dass er mit dieser LP ein Gefühl einer gewissen Lebenshaltung hinterlassen möchte, auch ohne deutlich auszusprechen, worum es geht. Neben der Tatsache, dass viele der Songs auf diesem Album auch musikalisch nicht gleich ins Ohr gehen, führt auch dieser interpretative Umgang mit Texten zu einer schweren Zugänglichkeit.

Auch die Themen haben sich gewandelt: war Falcos Erstlingswerk noch bestimmt von Drogen, Paranoia, Politik, Kriminalität und einer gehörigen Prise Sozialkritik, finden sich auf diesem Album ganz andere Themen wieder. Nichts ist mehr zu hören von subversiven, anarchistischen, kritischen Zwischentönen, den Songs fehlt die Frechheit, die Ironie und der Sarkasmus des Vorgängers, sie sind eindeutig weniger aggressiv und provokant, vielmehr spiegeln sie eine fein säuberlich produzierte Unterhaltungskunst mit indifferenten Texten wider. So geht es hauptsächlich um die Beschreibung einer sehr europäischen Welt (Falco: "Es ist ein europäisches Album und so werde ich es auch den Amerikanern verkaufen, auf Übersetzungen lasse ich mich nicht ein, schließlich ist die europäische Popmusik das einzige Exotische, was den Amerikanern verblieben ist"), einer coolen Lässigkeit zu Beginn der 1980er Jahre, in der nun Hedonismus, Yuppies, Dekadenz und die Realitätsflucht vor dem drohenden Untergang dieser Spaßgesellschaft die Hauptrolle spielen. Die Jugend, die in Einzelhaft noch die Spießigkeit, Trostlosigkeit und Langweiligkeit beklagt hat (das punkige Statement "No Future" passt hier sehr gut), hat nun herausgefunden, dass es Wege gibt, dieser Tristesse (zumindest kurzfristig) zu entkommen. Natürlich gibt es auch hier Drogen, aber auf einer anderen Ebene: beschreibt Falco auf seinem ersten Album noch vorrangig die Probleme von Drogen vor einem gesellschaftlichen Hintergrund, so kommen Drogen auf diesem Album als etwas problemfreies, selbstverständliches vor, man nimmt Drogen um damit eine bessere Alternativwelt zu schaffen, um Spaß zu haben, die negativen Folgen kommen hier nicht mehr wirklich vor. Hier ist keiner mehr im Untergrund, die Protagonisten hier sind alle elitär, erfolgreich, abgehoben vom Alltag, unberühr- und unerreichbar. Der Weg aus der Sackgasse wird gesehen als ein Arrangieren mit dem Establishment, weil dieses die ungleich bessere Lebensqualität bietet. Insofern steht das Album für eine Fortsetzung des Themas aus dem Song Helden Von Heute, es geht um ein kultiviertes Endzeitgefühl. Dazu Falco im O-Ton: "Gemeint ist die junge Generation, die nicht mehr sagen "Alles Arsch", sondern "Wir wollen Spaß"."

Ursprünglich sollte das Album einen Song mehr enthalten, nämlich Zakadaca. Obwohl die Nummer bis heute unveröffentlicht ist, kennen es Fans auszugsweise aus der Falco-TV-Show "Helden Von Heute – Die Falco-Show", die nach der LP-Veröffentlichung im österreichischen und deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Auch im Jugendmagazin Rennbahn-Express wird der Song erwähnt. Warum er in letzter Sekunde vom Album gestrichen wurde, ist bis heute unklar. Falco hat Zakadaca mehrmals in seinem Textbuch aus dem Jahr 1984 erwähnt, das Lied findet sich auch auf einem der letzten von Falco überlegten Tracklisting-Optionen.

Falcos Gesang variiert auf seiner zweiten LP sicherlich stärker als auf seiner ersten: das ist auch darauf zurückzuführen, dass viele Songs melodiöser gestaltet sind und Falco öfters singt als dies auf dem sehr sprechgesanglastigen erstem Album der Fall war. Auch entwickelt Falco im Song Tut-Ench-Amon (Tutankhamen) eine Art Flüsterstil, den er danach nie wieder angewendet hat. Des Weiteren verwendet Falco auf diesem Album keinerlei Dialekt mehr, die deutschen Textzeilen sind im herrlich geschnöselt vorgetragenem Hochdeutsch gehalten. Gleichzeitig ist seine zweite LP sicherlich das Album, bei dem Falcos Texte am genauesten, durchdachtesten und am wenigsten spontan sind. Hier sitzt jedes Wort, keinerlei Flexibilität ist im engen Rahmen der Wortschöpfungen erlaubt. Dieser Umstand wurde jedoch damals oft kritisiert, vielen fehlten die kritischen Texte des Erstlingsalbums, sie konnten mit den abgehobenen, fragmentieren Texten wenig anfangen.

Ebenfalls eine neue Dimension der Konzeptionierung erfährt das Cover-Design. Hatte beim ersten Album noch Stefan Weber, Falcos Bandleader bei Drahdiwaberl, hauptberuflich Zeichenlehrer an einer Wiener Schule, das Cover gestaltet, so wird nun das kühle und perfektionistisch anmutende Gestaltungselement des ganzen Albums auch beim Design der Plattenverpackung weitergeführt. Sowohl auf dem schwarz/weißen Coverphoto von Rudi Molacek, (auf dem Falco unnahbar, arrogant und cool wirkt und bei dem der Name Falco in überdimensionierten, ausgestanzten, goldenen Großbuchstaben aufscheint) als auch auf der Rückseite des Covers, auf dem die neun Songs des Albums mit jeweils einem Foto von Falco illustriert sind (auf den fünf Fotos der Songs der A-Seite trägt Falco den schwarzen Smoking mit Mascherl des Frontcoverbildes, auf den vier Fotos für die Songs der B-Seite trägt Falco den aus dem Video zu Brillantin‘ Brutal bekannten Anzug von Helmut Lang) wird kunstvolles Design mehr als nur großgeschrieben. Zusätzlich wurde eine sehr feine, elegante, simplifizierte Zeichnung von Falco verwendet, um die Marke auf wirklich allen Ebenen abzubilden. Irgendwie erinnert die Photoästhetik an Leni Riefenstahl, derart durchkonzipiert sieht das Ganze aus. Falcos neues Image wird in diesem Gesamtkunstwerk von Musik, Fotografie, Design extrem positioniert, war Falcos Image bei seinem ersten Album noch halbwegs authentisch, setzt er sich hier endgültig die Maske auf, es ist ein Image wie aus einem Film Noir, das Bestreben Falcos nun endgültig mehr sein zu wollen als Hans Hölzel. Der Mann auf dem Cover ist ein Star, er hat keine Berührungspunkte mehr mit der Szene aus der er kommt, er ist ein Kosmopolit, ein von Ort und Zeit Unabhängiger, eine Marke, ein Symbol, eine Statue. Nicht ohne Grund erinnert Falco auf diesen Fotos sehr an David Bowie in seiner Thin White Duke-Phase. Der österreichische Grafikdesigner Stefan Sagmeister (der selbst viele Covers, unter anderem für die Rolling Stones, entworfen hat) sagt völlig richtig zur Grundaussage des verwendeten Cover-Photos "Er ist Falco – wir nicht". Das graphische Design des Albums ist bewusst abgehoben und elitär. Der Musikexpress schrieb 2019: "Wäre Falco für immer zu der Figur auf dem Cover erstarrt – elegant, erhaben – die Karriere wäre perfekt gewesen".

Auf dem Albumcover findet sich auf der Rückseite übrigens auch ein kleines rotes Logo, das an japanische Kalligraphie erinnert und auch an Vertrags- und Identitätsstempel aus dieser Region. Wie Stephen Fajen herausgefunden hat, besteht das Logo aus zwei Zeichen, eines für "Blume", eines für "Höhe". Im Japanischen bedeutet diese Kombination so viel wie "Wachstum". Es gibt jedoch zwei dahinter liegende Bedeutungsebenen: zum einen werden die beiden Zeichen phonetisch in einer Art und Weise ausgesprochen, die der Aussprache des Namen "Falco" im Japanischen sehr nahe kommen ("Hana-Kou" beziehungsweise "Fala-ko"). Es dürfte also so gewesen sein, dass Falco, wie auch immer, um diesen phonetischen Gleichklang wusste und ihn darum als Logo auf seiner Platte verwendet hat. Zum anderen existiert jedoch noch eine weitere Auffälligkeit: so ist dieses Logo lediglich auf dieser Platte und auf dem Album Data De Groove abgebildet – beides Alben, die Falco mit Robert Ponger aufgenommen hat. Es liegt also nahe, dass Falco dieses Logo auch als eine Art Symbol für seine Zusammenarbeit mit diesem Produzenten verwendet hat.

Da man die Falco-Alben bis zu Emotional erst nachträglich auf CD veröffentlichte, wurde auch für dieses Album kein adäquates CD-Cover-Design entworfen, die derzeit auf dem Markt erhältliche Version ist extrem lieblos gestaltet, was die japanische CD-Ausgabe von 1986 zur einzigen CD-Ausgabe macht, die über das Original-Cover-Design verfügt (von Einzelhaft und Falco 3 wurden 2007 und 2023 beziehungsweise 2010 wenigstens im Rahmen derAnniversary/Deluxe Editions ansprechendere Cover-Designs entworfen).

2023 wurde das Album in einer "Gottfried Helnwein Edition" auf Vinyl auf den Markt gebracht, bei diesem Release wurde das Cover verändert, es wurden Photos aus einem Shooting von Falco mit Gottfried Helnwein aus dem Jahr 1984 verwendet. Limitiert auf 3333 Stück, verweist der Release nicht nur auf die Freundschaft der beiden Künstler, sondern auch auf eine groß angelegte Helnwein-Ausstellung in der Wiener Albertina. Diese Wiederveröffentlichung stieg in Österreich erneut in die Charts ein (#5), in Deutschland platzierte sich das Album im Rahmen dieser Edition erstmals überhaupt in der Hitparade (#76).

Die LP wurde im Frühjahr 1984 veröffentlicht und es ist eine Tragödie, dass dieses Album, in dessen Entstehung sich Falco wie nie mehr danach aktiv eingebracht hat, zu einem kommerziellen Flop wurde. Es ist definitiv das Album, bei dem Falco auf vielen Ebenen am meisten mitgewirkt hat. Zwar platzierte es sich auf # 1 in Österreich, aber sowohl in Deutschland als auch im Rest der Welt konnte es sich nicht in den Hitparaden platzieren, eigentlich unvorstellbar, wenn man bedenkt, dass Falco nur zwei Jahre vorher mit Der Kommissar einen Welthit gelandet hatte. Auch schien es, als hätte (vor allem die österreichische) Presse nur darauf gewartet, Falcos Zweitwerk in Grund und Boden zu verdammen. Es gab eine euphorische Kritik von Michael Hopp im Magazin Wiener ("Die alte Coolness ist einer dandy-haften, augenzwinkernden Stimmung gewichen. Falcos neue LP ist schlichtweg sensationell") und auch die deutsche Ausgabe des Rolling Stone würdigte, dass Falco nicht den vermeintlich sicheren Weg auf den Spuren seines ersten Albums gegangen ist und lobt das Werk ob seiner weit weniger sparsamen, jedoch nie überfrachteten Arrangements und preist die clevere Verbindung von Coolness und Charme: "Falco ist nicht den vermeintlich sicheren Weg gegangen, den Spuren seines Hits „Der Kommissar“ zu folgen. Das Album unterscheidet sich bereits durch die Instrumentalisierung von Einzelhaft, es ist weit weniger sparsam. Irgendwie hat die gesamte LP internationales Flair, von dem Verschmitzt-Hintergründigen, das beim Debut vereinzelt aufblinkte, fehlt nun jede Spur. Das Gros der Songs ist souverän arrangiert, die nötige Dosis an Gitarren und Bass wird exakt getroffen, die früher etwas unruhigen musikalischen Linien wurden geglättet. Und Falco singt dazu! Sicherlich ist der halb gesprochene Rap auch weiterhin angesagt, doch der klassische Gesangsunterricht bei einem Wiener Kammersänger hat unverkennbare Spuren hinterlassen. Nur schade, dass man von den Texten oft nur Fragmente mitbekommt. Das was man versteht, ist jedenfalls ziemlich abgehoben – Schlagertexte der unbekannten Art. Falcos zweite LP ist kein Werk, mit der man sich emotional identifizieren kann, auch wenn sie Charme und Coolness überaus clever verbindet". Vielfach wurde kritisiert, dass alles sehr glatt produziert wurde und sich erst nach mehrmaligem Hören im Ohr festsetzt. Die österreichische Tageszeitung Die Presse konstatiert: "Falcos zweite LP ist von perfider Güte. Sie ist ein so berechnend schamloses, so geschickt gestyltes Ding, dass man kaum glauben kann, tatsächlich ein österreichisches Pop-Produkt abzuhören. Da ist einmal der grenzenlose Zuschnitt, dessentwegen Falco abwechselnd deutsch, englisch und italienisch singt, säuselt und ein bisschen rapt. Da sind die makellosen, effektsichereren Arrangements von Robert Ponger, die die Scheibe weltweit discotauglich machen sollten". Die deutsche Jugendpostille Bravo meint: "Wenn Atmosphäre und manchmal auch ganze Phrasen Kopfzerbrechen bereiten, weil sie so vertraut klingen, sollte man diesmal nicht bei Rick James nachsuchen, sondern bei David Bowie. Die beiden Klassiker "Young Americans" und "Scary Monsters" müssen Falco ordentlich inspiriert haben. Aber schadet ja nichts. Nicht nur Disco-Freaks werden auf (die LP) abfahren".

Aber der Großteil der Besprechungen war negativ. So schrieb beispielsweise der englische New Music Express über das Album, dass es klingen würde, wie "a funky Robert Smith, crossed with a drunk vomiting through his nose". Auch Trouser Press konnte dem Album nur wenig Gutes abgewinnen, "…(Falco’s) leaning towards Philly soul – in tone if not content – (exposes) a boring collection of tepidly delivered songs". Falcos Texte wurden verglichen mit dem belanglosen Gefasel in Bars und Flughafenwartehallen, und grundsätzlich freuten sich viele, den arroganten Falken nach diesem Flop nun endlich abschreiben zu können.

Falco meinte zu diesem Album anno 1996: "Das Album war ein Totalflop. Das Konzept war 'Ich zieh mir den Smoking vom Boubou Lang an und offenbare damit, dass ich mitspiele mit den Maßstäben des Establishments, aber nur soweit ich will. Nur die linke Partie, von der ich gekommen bin, hat gesagt: 'Na servas, der Oide, Oberkellner mit’n Mascherl, als hätte er eine Platinader entdeckt, jetzt ist er nicht mehr kritisch, anti, anarchistisch, jetzt ist er wirklich das präpotente Arschloch'. Durch den Riesenerfolg von Rock Me Amadeus wurde das Album dann Kult, die alten Sachen sind immer leiwand und das Neue zum Vergessen".

Und in der Tat: mit der Zeit wurde Falcos zweites Album deutlich positiver gesehen. So stand kurz nach Falcos Tod Folgendes im Kurier: "Musikalisch großartig, nur irgendwie zu modisch für den ganz großen Erfolg. Diese Platte galt damals als Flop. Erstaunlicherweise ist sie viel besser gealtert als viele höher eingeschätzte Alben. Falco und Ponger wollen das Image vom New-Wave-James-Dean mit einer Überdosis Gel im Haar auf die Spitze treiben – und überdrehen. Der Sound ist artifiziell, der Text teilweise Gaga-Poesie auf hohem Niveau". Zur gleichen Zeit urteilte das Libro-Magazin: "Ein musikalisches und popkulturelles Meisterwerk, Im Mittelpunkt Falco als aalglatter, bis an die Schmerzgrenze arroganter, supercooler, dekadenter Großstadtwolf. Die Musik: piekfeiner, hochmoderner, höllisch kühl groovender, hochglanzpolierter Electro-Pop. Allein, es sollte nicht sein: das Album floppte gnadenlos, soviel zu mangelndem Pop-Bewusstsein und Geschmack der österreichischen Nation. Eine bessere Pop-Platte ist hierzulande noch nicht produziert worden".  Der Produzent Patrick Pulsinger meinte 2017: "Obwohl das gleiche Team wie beim Debut-Album am Werk war, wirkt hier alles wesentlich glatter produziert. Neben den wirklich tollen Songs finden sich aber auch viele schrullige Stücke, einige wirken wie unter Zeitdruck fertiggestellte Demos. Hier hat man die Lederjacke endgültig gegen das Dinner-Jacket getauscht und zelebriert ein Lebensgefühl, das zeigt, wohin sich Falco als Kunstfigur entwickeln wird". Und noch zwei Jahre später jubelt der Musikexpress: "Das Album sollte ein Meisterwerk werden, das jenseits aller Grenzen funktioniert. Im Ansatz gelang es".

Aus dem Album wurden drei Singles ausgekoppelt, neben dem Titelsong auch noch Nur Mit Dir und später noch, in einer Neuaufnahme mit Désirée Nosbusch, die Nummer Kann Es Liebe Sein? Alle drei Singles waren nicht besonders erfolgreich, mit Ausnahme von Junge Roemer in Österreich konnte sich keine irgendwo auf der Welt in den Charts platzieren. Im Nachhinein fragt man sich, warum nicht andere Titel, wie zum Beispiel Brillantin‘ Brutal oder Hoch Wie Nie veröffentlicht wurden. Der Misserfolg des Albums als auch der Singles erscheint umso bemerkenswerter wenn man bedenkt, dass im Rahmen einer Koproduktion des österreichischen mit dem bayerischen Rundfunk sämtliche Songs dieser LP im Rahmen des TV-Programms "Helden Von Heute – Die Falco-Show" verfilmt und am 20. Oktober 1984 ausgestrahlt wurden. Bei diesem Longform-Video wurden von allen Songs dieses Albums Videos produziert und durch eine sehr lose Rahmenhandlung miteinander verwoben. Zusätzlich wurde vom ersten Album auch noch der Song Helden Von Heute verfilmt. Ein Jahr später wurde dieses TV-Programm (zu dem dann noch zusätzlich und völlig sinnfrei das Video zu Rock Me Amadeus dazu geschnitten wurde) bei der Goldenen Rose von Montreux, einem Fernsehpreis, eingereicht.

Wenn man sich die Videos ansieht, fällt auf, dass wohl bereits vor der Veröffentlichung des Albums erste Zweifel aufkamen, ob das neue, gelackte und elitäre Image so gut ankommen würde: so sieht man immer wieder Verweise darauf, dass das Ganze doch bitte nicht ernst zu nehmen sei – neben den unnahbar gestalteten Videos tritt Falco auch als Automechaniker oder als bodenständiger Junge von nebenan (ohne gegelte Frisur) auf. Um ganz sicher zu gehen, wurde dann auch noch unter dem Titel "Helden Von Heute" ein Untertitel eingeblendet: "A parody – not to be taken seriously". Es scheint, als wäre bereits hier (korrekterweise) befürchtet worden, dass der Elitarismus des Falco-Image für den deutschsprachigen Raum über dem Grad des Ertragbaren liegen könnte.

Nachdem das Album derart floppte, wurden alle Pläne für eine Tour fallengelassen. Die Gründe, warum die LP so unerfolgreich war liegen auf der Hand (es ist eine textlich sehr eigensinnige, schwer zugängliche LP, der zudem auch musikalisch die Hits fehlten und die teilweise sehr unvorteilhaft produziert ist). Es ist dennoch bemerkenswert, dass genau dieses Album heute als eines von Falcos Meisterwerken betrachtet wird. Es ist sicherlich, neben Einzelhaft, Falcos bestes Album, auf keinem anderen Werk des Künstlers spürt man den Atem von Falco so nah und direkt, in keines seiner Alben ist danach mehr Herzblut geflossen, in keines hat er mehr Bestrebungen und Ambitionen hineingelegt. Zur selben Zeit klingt das Album auch heute noch so frisch wie wohl keine andere Falco-LP, vielfach wird es als das beste Popalbum, das je in Österreich produziert worden ist, betrachtet.

Interessant ist auch der Gedanke, was mit Falcos Musik, mit seinen Texten, ja mit seiner gesamten Karriere nach 1984 passiert wäre, hätte sich das Album in Dimensionen wie das Vorgängeralbum verkauft: vielleicht wäre Falco in diesem Falle nicht (dank Rock Me Amadeus) der kurzfristige Weltstar geworden, vielleicht hätten seine Musik und seine Texte aber in diesem Fall mehr seinen eigenen Erwartungen und Wünschen entsprochen…

Falco war bezüglich dieses Albums zeitlebens gespalten, er war der Meinung zu viel überlegt zu haben und dass der Entstehungsprozess zu unspontan, zu verkrampft und zu abgehoben war. Falco: „Ich bin damit übers Ziel hinausgeschossen, aus der Angst heraus, zu floppen“. Natürlich hat das Album eine überlebensgroße Attitude und bei vielem wäre weniger wahrscheinlich mehr gewesen, aber die LP ist heute sicherlich ein unterschätzter Meilenstein der deutschsprachigen Popmusik. Es ist ein Werk, das gezeigt hat, dass man auch hierzulande ein internationalen Standards entsprechendes Album produzieren kann. Musikalisch blutarm, textlich abwesend, fast schon ein enigmatisches Konzeptalbum aber, um es in den Worten von Heinz Rudolf Kunze zu sagen, "…(das Album) ist ein Must-Have für positive Endzeitler" (was sich übrigens gut mit Falcos Aussage deckt, dass das Album eine Art "positive Endzeitstimmung" einzufangen versucht). Diese Einschätzung teile auch ich, das Album wäre für mich ohne die beiden nicht so ganz passenden Songs Nur Mit Dir und Kann Es Liebe Sein? sogar besser und stimmiger – diese beiden Nummern scheinen sowohl musikalisch als auch textlich eine Konzession zu sein.

2014 war von Sony Music Austria ein 30th Anniversary Re-Release des Albums geplant, man versuchte, sich für den DVD-Bonusinhalt die Rechte der TV-Show "Helden Von Heute"zu sichern, aber aufgrund von Lizensierungsproblemen kann dieses Video bis heute nicht in voller Länger veröffentlicht werden. Aus diesem Grund harrt Falcos zweites Album bis heute auf eine erweiterte Deluxe Edition, dies soll sich aber 2024 ändern.

Beteiligte

Music composed and arranged by Robert Ponger
Lyrics and lyrical conception by Falco
Produced by Robert Ponger
Recorded at Stereo West Studios Vienna
Overdubs at Musicland Studios Munich
Mixed at Arco Studios Munich
Recording Engineer: Robert Ponger
Overdubs Assistent: Hans Menzel
Mixing Engineers: Robert Ponger & Mal Luker
All Keyboards: Robert Ponger
Digital Key Terminal: Robert Ponger
All Guitars & Gitronics II: Mats Björklund
Additional drums & Percussions: Curt Cress
Bass Board: Falco
Additional Bass Guitar: Hans P. Ströer
Additional Guitar: Billy Lang
Alto Sax: Benny Gebauer
Trumpet: Felice Civitareale
Background vocals: The Opus Choir Machine & "Munich"
String Section of the Munich Philharmonic Orchestra
Cover by Lo Breier & Michael Beran
Photos by Rudy Molacek