Song

Junge Roemer

Laufzeit

4:30 Minuten

Album

Junge Roemer [1984]

Single-Auskopplung

Mai 1984
Charts: #8 AUT, #24 SUI, #52 USA (Dance/Club)

Musik, Text und Produktion

Musik: Robert Ponger
Text: Falco
Produzent: Robert Ponger

Offiziell veröffentlichte Mixes/Edits/Versionen

  • Extended Version 6:38 (1984)
  • Specially Remixed 12” Version 7:45 (1984)
  • Dub Version 6:05 (1984)
  • Specially Remixed 7” Version 4:21 (1984)
  • Single Edit 4:04 (1984)
  • Bingoboys Remix 6:05 (1991)

Offiziell veröffentlichte Liveaufnahmen

  • Wien, Rathausplatz 5:58 (1985)
  • Berlin, Eissporthalle 4:40 (1986)
  • Wien, Donauinsel 4:31 (1993)
  • Wiener Neustadt, Domplatz 4:22 (Symphonic Version) (1994/2008)
  • Wien, Donauinsel 4:49 (Tribute Collaboration feat. Julian Le Play & Gianna Nannini) (1993/2017)

Sampling Versionen

  • Sterben Um Zu Leben Collaboration feat. Zugezogen Maskulin 3:57  (1984/2018)
  • Sterben Um Zu Leben Instrumental Collaboration feat. Zugezogen Maskulin 3:57  (1984/2018)

Über den Song

Falcos zweites Album beginnt mit dem Titelsong, einer Hymne an eine junge Generation, die nicht mehr dem Punk-Slogan "No Future" nachhängt, sondern die stattdessen Spaß hat und ihr Leben genießen möchte. Falco hatte sich schon für den Song Helden Von Heute von seinem Debutalbum Einzelhaft von seinem Vorbild David Bowie mehr als nur inspirieren lassen, bei diesem Song standen dann gleich drei Klassiker des Thin White Duke großmütig Pate: einerseits musikalisch "Let’s Dance", mit dem Bowie 1983 seinen größten kommerziellen Erfolg feierte, andererseits textlich "Fantastic Voyage" und von der Titelgebung sicher auch "Young Americans".

Die starke, bunte Melodie der Nummer mit ihrer stark an die damals angesagte New Romantics-Bewegung angelehnte Instrumentierung, entfaltet in ihrer Gemächlichkeit und Erhabenheit eine eigenartige Faszination. Der Song ist verwinkelt, startet langsam und entwickelt seinen Reiz aus ebendieser schweren Zugänglichkeit. Kaum nimmt das Lied Tempo auf, verliert er es bewusst auch gleich wieder, er schwebt majestätisch und das Echo auf vielen Instrumenten gibt einem das Gefühl, dass der Track trotz all seiner Anstrengungen temporeicher zu werden, zurückgehalten wird. Der Refrain ist kaum von den Strophen zu trennen, lediglich eine elegante melodische Bridge deutet diese Höhepunkte eines jeden Songs an. Durch das Ausbleiben dieser musikalischen Explosionen wirkt der Song extrem kompakt und einheitlich, auch das Gitarrensolo ordnet sich dieser übergeordneten Systematik unter. Mitunter erinnert die Nummer an ein verspieltes Lied von Bryan Ferry, die üppige Instrumentierung und die dennoch sehr zurückhaltende Produktion machen diesen Song zu einem der besten in Falcos Oeuvre. Falco wusste um die Tatsache, dass die Nummer nicht sofort direkt ins Ohr geht, er sah sie als nicht besonders kommerziell, wusste aber, dass man sie, wenn sie mal im Ohr angekommen ist, dort nur schwer wieder rausbekommt. Die Hintergrundstimmen wurden übrigens von der österreichischen Band Opus aufgenommen, die im gleichen Jahr mit "Live Is Life" einen Welthit landeten und die ein Jahr später dann mit Falco den Song Flyin‘ High live im Rahmen eines ihrer Konzerte (in Graz-Liebenau) aufführten.

Dreisprachig (Deutsch, Englisch und thematisch logisch Italienisch) führt uns Falco mit herrlich blasierter Stimme und unterkühltem Sprechgesang durch eine Welt, in der genusssüchtige Yuppies vor dem drohenden, dekadenten Untergang in eine Alternativrealität des Hedonismus flüchten. Falcos, direkt aus einem nostalgischen Wiener Ballsaal kommende, halb-ironische Hommage an die zunehmende Bedeutung der Oberflächlichkeit, Ablenkung und des Eskapismus klingt gleichzeitig euphorisch und melancholisch und erinnert nicht nur damit an Helden Von Heute, einem anderen Falco-Song der die Jugend und ihren Platz in der Gesellschaft hinterfragt. Die (urbane) Jugend von heute, die jungen Roemer, haben die Schnauze voll von der Angepasstheit und Langweiligkeit ihrer Eltern. Sie wollen Spaß, feiern am liebsten die ganze Nacht bis zum Morgen durch ("kennt ihr die Sonne noch"), sind nachtaktiv und dauernd in angesagten Clubs unterwegs, wollen Exzesse in allen Bereichen (Gefühle, Liebe, Sex), gieren nach endlosen Hedonismus ("lass diese Reise niemals enden") und Maßlosigkeit ("gimme more, gimme more"). Diese Jugendlichen sehen sich anders als die anderen, sie sind elitär und dennoch wissen sie um das Damoklesschwert der Dekadenz und des zeitlich befristeten Zustands dieser Genüsse ("but the price is still to pay").

Wohl nicht zufällig spielt Falco hier auch mit Bedeutungen: so kennt wohl nicht nur jeder Gymnasiast aus dem Latein-Unterricht den Begriff der "alten Römer" und natürlich steht der Verweis auf Rom auch für Dekadenz, Größenwahn und gleichzeitig für Untergang und den Zusammenbruch einer degenerierten Kultur. Die Jugendlichen in diesem Song wissen, dass sie in einem Land leben, das seinen Höhepunkt schon hinter sich hat, sie leben in der Vergangenheit und gleichzeitig möchten sie etwas Anderes, Neues, sie fühlen sich entfremdet und flüchten deshalb in den wochenendlichen Eskapismus.

Falco meinte 1984 in einem Interview zu diesem Song, dass man "nicht unbedingt aus Rom sein muss um ein Junger Roemer zu sein, das kann man zum Beispiel auch in Wien werden. Der Titel steht  für eine junge, europäische, versinnbildlichte Lebenshaltung. Ich habe einige Dinge erkannt, als ich 1983 ein bisschen Distanz zu Europa hatte. Ich hätte auch über junge Wiener, Berliner, Kölner, Pariser, Londoner singen können, es ist mehr eine Ideologie. Wir sind eine Partei, die 1968 nicht mehr so recht erlebt hat, leben in einer Zeit der politischen Unsicherheit und wissen, dass wir uns unser Spiel nur dann einrichten können, wenn wir die Leistungsgesellschaft nicht links liegen lassen. Es geht um eine positive Auseinandersetzung mit dem Establishment, gleichzeitig ist die römische Kultur mit einem Untergang gleichgesetzt. Die Dinge sind schon so in den Graben gefahren, dass wir nichts mehr machen können. Es geht um ein positives Endzeitgefühl".

Übrigens: In diesem Song verwendet Falco erstmals die Formulierung "weißes Licht", ein Phrase die durch den dramatischen Einsatz in der Nummer Out Of The Dark bekannt wurde. Außer in diesen zwei Songs kommt dieser Ausdruck auch noch in Les Nouveaux Riches, Kamikaze Cappa und Read A Book vor.

Der Song zeigt exemplarisch, dass Falco seine Songs ab 1984 internationaler machen wollte, nicht nur der vielsprachige Text, auch Falcos Vortrag wurde wesentlich hochdeutscher, lediglich ein paar Worte sind noch dialektisch eingefärbt wie bei vielen Songs des Debutalbums. Auch die Schreibweise des Titeltracks weist auf Falcos Wunsch nach Globalität hin, der Song wird nicht mit "ö" geschrieben, sondern mit "oe" (eine Schreibweise die Falco auch privat bei der Schreibweise seines bürgerlichen Namens anwandte). Leider wird auf dieses subtile, aber bedeutsame Detail häufig sowohl in der Presse als auch bei Fans und selbst bei Veröffentlichungen missachtet. In Falcos Notiz- und Textblock findet man anno 1983 noch die Schreibweise mit "ö" – der Song hieß im Demo-Stadium ursprünglich "Lust Und Luxus (Stoppt die Tänzer)" und dann eben "Junge Römer (Lust Und Luxus)" – ein Jahr später hatte Falco dann die endgültige Schreibweise ohne Zusatztitel in Klammern und mit "oe" gefunden.

Die Nummer wurde 1984 als erste Single aus dem gleichnamigen Album ausgekoppelt, zu Falcos großer Enttäuschung konnte sich der Song jedoch nur in Österreich und der Schweiz beziehungsweise in einer remixten 12″ Version in den US Dance Charts platzieren, in Deutschland (trotz Auftritt in der Sendung "Formel Eins") und dem Rest der Welt floppte der geplante Hit. Das, obwohl erstmals in Falcos Karriere verschiedene Remixes für die jeweiligen internationalen Märkte angefertigt wurden. Der Single Edit verkürzt den Song auf knappe vier Minuten, während die Extended Version über ein längeres Gitarrensolo im Mittelteil und eine längere Schlussphase verfügt. Falcos amerikanische Plattenfirma ließ darüber hinaus von John Luongo eine Specially Remixed Version von fast acht Minuten für die 12″ Single anfertigen, dieser betont die Echo- und Halleffekte des Originals deutlicher, verwendet öfters die englischen Sprachteile und macht den Song insgesamt tanzbarer. Von diesem ausgezeichnetem Mix gibt es auch noch einen eigenen Single Edit sowie eine instrumentale Dub Version. John Luongo meinte 2023 in einem Interview über seinen Mix: "(Falco’s American record label) A&M needed something (…) that would be a little bit more rhythmically attuned. I said 'I’m going to go in there and I’m going to make it more powerful. I’m going to use drama. This is an Austrian artist, and this is the kind of record that will let me really play on the theatrical aspects of it.' So I went to the studio, and I felt that I did a really excellent job on that recording. Not only sonically, but I captured him'".

Für das Single-Cover verwendete man das Photo, das auch auf dem gleichnamigen Album zum Einsatz kam, es zeigt Falco in einer sehr distanzierten und kühl aussehenden Pose in elegantem Schwarz-Weiß und mit goldenem Schriftzug. International wurde die ebenfalls auf dem Album verwendete minimalistische Zeichnung von Falco verwendet, hier war das Cover in Rot-Schwarz-Gold gehalten. In Spanien gab es noch ein weiteres Cover, hier wurde das internationale Cover in Schwarz-Weiß-Gold verwendet.

Das Video spielt in einem Ballsaal, die Türen gehen auf, junge, auffällig modisch gekleidete Menschen kommen tanzend herein, das Ganze erinnert ein bisschen an Videos von Frankie Goes To Hollywood und auch von Culture Club. Dazwischen geschnitten sieht man Falcos Gesicht in Großaufnahme, er ist mit UV-Farben geschminkt und strahlt somit als Stern im Dunklen. Dann erscheint Falco auch ungeschminkt und mit Smoking im Ballsaal, seine Bewegungen sind extrem unnatürlich, dekadent, gelangweilt. Distanziert betrachtet er das Geschehen auf einem Fenstersims über dem Saal sitzend. Nachdem er singend und unnachahmlich exaltiert die Treppen hinunter schreitet, treffen sich die restlichen Personen in der Mitte des Ballsaals, ein dicker Typ sitzt schlafend auf einem Sessel, ein Feuerschlucker erscheint, abschließend sieht man das Gebäude, in dem die Veranstaltung stattfindet, von außen. Nach Falcos Ableben veröffentlichten die Videoproduzenten Dolezal&Rossacher einen alternativen Videoclip, in diesem führt Falco den Song vor Publikum auf, es handelt sich hier um eine Aufnahme, die gleichzeitig mit den Aufnahmen von Helden Von Heute für die gleichnamige Falco-TV-Show anno 1984 produziert wurde.

Der Titelsong aus Falcos zweitem Album wurde auf jeder Tournee gespielt, er war ein Standard im Live-Programm. Die Sängerin Gianna Nannini sang den italienischsprachigen Teil der Lyrics auf dem Tributkonzert auf der Wiener Donauinsel anno 2017, eine nette Idee.

1991 produzierten die Bingoboys aus Wien von diesem Song für das Album The Remix Hit Collection einen Remix, weil die Masterbänder der Aufnahme jedoch bis heute unauffindbar sind, sang Falco die Nummer nochmals neu ein, im Gegensatz zum Original klingt seine Stimme hier jedoch müde und ohne Tempo. Dieser Bingoboys-Remix ist auch das erste und einzige Mal, dass dieser Song mit "ö" und nicht mit "oe" geschrieben wurde, wohl um auf die Neuaufnahme und den Remix hinzuweisen. Ansonsten schreiben auch viele Best Of & Greatest Hits-Alben nach wie vor gerne fälschlicherweise "Junge Römer" obwohl Falco mit Sicherheit die Schreibweise "Junge Roemer" ganz bewusst gewählt hat. Für ihn, der sich immer schon als internationaler Künstler sah war diese rechtschreibtechnisch falsche Titelgebung ein Zeichen, dass es sich hier um einen Song bzw. um ein Album mit weltweiten Appeal handelte, den lediglich im deutschen Sprachraum verwendeten Umlaut merzte er bewusst aus.

Der Musiker Zugezogen Maskulin produzierte 2018 für Sterben Um Zu Leben eine Samplingversion, diese ist, zumindest musikalisch, durchaus eine der gelungeneren Nummern dieses Tribute-Projekts und verwendet auch ein paar Original-Textzeilen von Falco aus dem Song Einzelhaft.

Der Song war auch bei jeder Tournee ein fixer Bestandteil von Falcos Setlist, man kann heute durchaus sagen, dass er, obwohl zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ignoriert, ein definitorischer Song für den Künstler geworden ist. Seine Bedeutung zeigt sich auch darin, dass viele Künstler auch noch rund zwei Jahrzehnte später die Nummern covern, so zum Beispiel die österreichische Band Garish, die diesen Song gern auf ihren Konzerten spielt. Auch gibt es kaum ein Best Of oder Greatest Hits-Album auf dem dieser stilbildende und zu späten Ehren gekommene Song fehlt.

2023 wurde eine 10″-Vinyl als so genannte "Gottfried Helnwein Edition" veröffentlicht. Auf diesem, auf 2500 Stück limitierten, Release finden sich vier Originalremixe, für das Cover wurden Photos verwendet, die aus einem Shooting der beiden Künstler anno 1984 stammen.

Text

Junge Roemer
Junge

Der Lorbeerkranz ein neuer Tanz
Schwingt Rhythmus in die Hüften der Stadt

Man sieht und kennt und sagt sich
Was diese Nacht zu sagen hat

Fragt nicht nach neuen alten Werten
Seht weißes Licht, sehr nur Gefühl

Die Nacht gehört uns bis zum Morgen
Wir spielen jedes Spiel

Laß' diese Reise niemals enden
Das Tun kommt aus dem Sein, allein

Allein aus
Dimensionen die
Illusionen und
Sensationen lohnen

Give me more
Give me more
Give me more
Give me more
Give me more
Give me more

Junge Roemer
Tanzen anders als die anderen
Sie lieben ihre Schwestern lieber
Lieber als den
Rest der Welt

Frag' junge Roemer
Kennt ihr die Sonne noch
Sie kennt die Sorgen

Junge Roemer
Die Nacht ist jung wie ihr
Vergeßt das Morgen

Un ballo nuovo porta ritmo nei fianchi della città
Ci veniamo, troviamo, chiediamo
Che cosa si fa
Ma non cercate dei valori
E magari sensazione
La notte è nostra fin al mattino
Abbiamo illusione
Non è la fine del viaggio
C’è sempre un domani e
Ci sono dimensioni con illusioni e sensazioni

Give me more
Give me more
Give me more
Give me more
Give me more
Give me more

Young romans

Junge

Junge Roemer
Kennt ihr die Sonne noch
Die Nacht ist jung wie ihr und doch
Im Land wo jeder Traum gelandet ist – man vergißt

Young romans
There is a night before each day
And that price is still to pay
Never stop this old erosion phantastic voyage

Give me more
Give me more
Give me more
Give me more
Give me more
Give me more

Übersetzung italienische Textpassage

Un ballo nuovo porta ritmo nei fianchi della città
Ci veniamo, troviamo, chiediamo
Che cosa si fa
Ma non cercate dei valori
E magari sensazione
La notte è nostra fin al mattino
Abbiamo illusione
Non è la fine del viaggio
C’è sempre un domani e
Ci sono dimensioni con illusioni e sensazioni

Ein neue Tanz schwingt Rhythmus in die Hüften der Stadt
Wir kommen, wir finden, wir fragen
Wie geht’s
Aber such' nicht nach Werten und vielleicht nach Sensationen
Die Nacht gehört uns bis zum Morgen
Wir haben Illusionen
Es ist nicht das Ende der Reise
Es gibt immer ein Morgen
Und es gibt Dimensionen mit Illusionen und Empfindungen

Meine Textfassung beruht, falls vorhanden, auf den Textbeilagen der offiziellen Veröffentlichungen (Booklet, Inlay, Cover etc.). Allerdings wurden alle Texte abgehört und nach dem gesungenen Wort korrigiert. Bei Songs, bei denen keine Textbeilagen verfügbar sind, basiert meine Fassung ausschließlich auf dem gesungenen Wort bzw. auch auf im Internet kursierenden Versionen. Textpassagen, die im Dialekt gesungen wurden, stehen in gemäßigter Transliteration. Rechtschreibfehler, sowohl deutsche als auch englische, wurden in eklatanten Fällen korrigiert. Die Rechtschreibung beruht teils auf der zur jeweiligen Zeit gültigen (Textbeilagen), teils auf der neuen Rechtschreibung (eigene Abhörungen). Auf Satzzeichen wurde im Allgemeinen verzichtet. Für Verbesserungsvorschläge bin ich dankbar.