Song

U.4.2.P.1. Club Dub

Laufzeit

3:41 Minuten

Album

Data De Groove [1990]

Musik, Text und Produktion

Musik: Robert Ponger
Text: Falco
Produzent: Robert Ponger

Über den Song

Falcos Album Data De Groove leidet auch unter einem nicht besonders glücklichen Tracklisting, einer nicht optimal gewählten Abfolge der darauf befindlichen Songs. Die ersten sieben Stücke sind (trotz ihrer musikalischen wie auch textlichen Eigenart im Vergleich mit Falcos in den Jahren zuvor veröffentlichten LPs) normale Popsongs, mit einem mehr oder weniger typischen Aufbau, mit einer normalen Laufzeit und einem lediglich dezent neu gestrickten Soundgewand. Die letzten drei Songs auf dem Album aber sind wesentlich untypischer und diese Nummer ist die Erste dieses Trios.

Es ist ein Song, der mehr wie eine B-Seite oder auch eine Demo-Version eines nicht vollständig durchgedachten Liedes wirkt. Gleichzeitig ist er musikalisch mehr ein Experiment denn ein normaler Song. Nicht, dass das schlecht sein müsste, hier vermittelt sich jedoch eher der Eindruck, dass Robert Ponger Falco mit Druck in ein modernes, zeitgemäßes musikalisches Korsett zwängen wollte, dabei aber weder der Songwriter noch der Texter ein Konzept hatten, wo denn diese Reise hin zu neuen Ufern wirklich hingehen soll.

Die Nummer ist stark Dancefloor-lastig, schwere Beats werden mit einer Geräuschkulisse verheiratet, die direkt in einem Club aufgenommen zu sein scheint. Aus verzerrten Lautsprechern und vor Hintergrundgeräuschen, die an eine Menschenmenge erinnern, verkündet eine Männerstimme auf Englisch die Zahlen 64, 54 und 50 (der Rest ist unverständlich), nach rund einer halben Minute setzt Falcos Stimme ein, mehr als zwei unenträtselbare Slogans gibt er aber auch nicht von sich. Teile der Hintergrundgeräusche dürften auch während eines Bingo-Spiels (einer Lotteriespielvariation) aufgenommen worden zu sein. Danach geht es weiter mit den Dance-Drums, im Hintergrund hört man immer wieder eine Art Live-Publikum. Nach rund einer Minute setzt zusätzlich ein House-lastiges Klavier ein. Danach zieht sich das Ganze noch monoton bis zum Schluss, weder musikalisch, noch textlich tut sich noch viel Neues, der Song besteht aus wenig Melodie und fast ausschließlich Rhythmus.

Dabei erinnert das Lied ein bisschen an „There’s More To Life Than This“ von Björk. Dieses erschien 1993 und spielt ebenfalls mit der Idee, dass zu einem fetten Club-Sound künstlich Live-Geräusche aus einem Club gemischt werden (wobei Björks Song der deutlich interessantere ist, sowohl musikalisch als auch textlich. Vor allem die Passage wo Björks Stimme so gemischt wird, dass es klingt, als sänge sie auf einer Disco-Toilette ist bemerkenswert).

Es drängen sich Vergleiche mit dem Lied Zakadaca auf: dieses hat Falco während der Produktion der LP Junge Roemer 1984 aufgenommen, es jedoch in letzter Minute vom Album genommen. In der Falco-TV-Show „Helden Von Heute“ wurde jedoch ein Fragment aus diesem Stück verwendet. Ähnlichkeiten ergeben sich daher, weil beide Nummern eigentlich Instrumental-Stücke sind, es gibt in beiden wenig bis keinen Gesang von Falco. Ob dieser Song von Anfang an in dieser Art geplant war oder ob Falcos Schwierigkeiten mit der Textproduktion für die dann gewählte und veröffentlichte Form ausschlaggebend war, ist nicht eruierbar.

Inhaltlich geht es um wenig bis nichts: Falco singt lediglich drei Textzeilen: „Club Manifesto Nuovo“, „Ginseng Design“ und „U.4.2.P1.“ Natürlich ist der Titel ein Wortspiel und benennt die beiden Wiener Clubs U4 (der ja auch schon in Ganz Wien vorkommt) und P1 (ein Club, der im Dezember 1988 seine Pforten öffnete). Falco bezeichnete damals in einem Interview das P1 als „das U4 der späten 80er Jahre“ und scheint in diesem Song diese Verbindung hergestellt zu haben. Wenn man sich also eine Bedeutungsebene aus den Fingern saugen möchte, dann die, dass Falco auf nächtlichem Streifzug zunächst im U4 gelandet ist und dann weiter ins P1 zieht (die im Titel enthaltene Zahl 2 ist dabei, wie auch in vielen Songs von Prince, als englisches „to“ zu lesen, also quasi „from U4 to P1“).

Übrigens: Alternativ könnte Falco auch die Disco P1 in München gemeint haben, diese besang er ja schon einige Jahre zuvor im Song Munich Girls. Allerdings legt der Zeitpunkt (und auch das Interview, aus dem oben zitiert wird) nahe, dass es sich um das P1 in Wien handelt.

Falcos Text lässt darüber hinaus nicht viel Interpretationsmöglichkeit, er ist kryptisch und mehr als inhaltsleere Slogans scheinen nicht vorzukommen. Er spricht vom „Club Manifesto Nuovo“, ein Manifest ist eine öffentliche Erklärung von Zielen und Absichten, die das Ziel haben die Welt zu verändern. Auf diese Bedeutungsebene wird musikalisch eingegangen, Falcos Stimme ist so abgemischt, als wäre er ein Priester oder ein Guru, der vor seinen Gläubigen oder Sektenanhängern spricht beziehungsweise predigt. „Ginseng Design“ dagegen ist unverständlich, Ginseng ist eine asiatische Heilpflanze, die als Basis für medizinisch-pharmazeutische Produkte dient. Sie ist ein Sinnbild für Gesundheit und für ein langes Leben. Die Quelle dieser Textidee findet sich in Falcos Textbuch: hier schreibt er „Mein Freund Billy (Filanowski, Anm.) sagt, Ginseng ist die neue Designerdroge“. Wie die beiden Bedeutungsebenen (Manifest und Ginseng) zusammenpassen, weiß wohl nur Falco allein…

Dem Song wurde dann auch noch „Club Dub“ im Titel hintenangestellt, wohl als Warnung, dass es sich hier mehr um ein Experiment als um einen gewöhnlichen Albumtitel handelt.

Das Experiment ist dabei nicht vollständig gescheitert, man kann sich diese Nummer gut in einem Club anno 1990 vorstellen. Es ist auch vergleichbar mit „Pallas Athena“ von David Bowie, auch in diesem sehr dancefloor-fokussiertem Stück gibt es kaum Text und Bowie tritt als Verkünder einer enigmatischen Botschaft auf („God is on top of it, that’s all“). Bowie hat 1993 diese Nummer inkognito unter Weglassen eines Künstlernamens auf einer 12“ an Clubs geschickt – um zu beweisen, dass seine Musik auch in Tanzlokalitäten bestehen kann. Eine solche Veröffentlichung könnte man sich auch für Falcos Club-Experiment vorstellen, darüber hinaus hat die Nummer aber wenig Strahlkraft, sie ist musikalisch monoton und dient vielen als Sinnbild für den Irrweg, den Falco mit seinem Album Data De Groove gegangen ist. Vielleicht wäre eine Veröffentlichung nicht auf dem Album, sondern nur als B-Seite (wie zum Beispiel auch bei Urban Tropical anno 1985) gescheiter gewesen. Es ist ein interessanter Einblick, wohin Robert Ponger und Falco musikalisch ihre Fühler ausgestreckt haben, aber auch hier gilt: bei einem Hit-Künstler wird sowas nicht allzu gern von den Fans und Kritikern gesehen.

Text

(Oh, sixty-four
Gene fifty-four
Gene fifty
Gene fifty
Oh, sixty-four)

Club Manifesto Nuovo
Ginseng Design
Club Manifesto Nuovo
Ginseng Design
U.4.P.1.
U.4.P.1.

Club Manifesto Nuovo
Ginseng Design
Club Manifesto Nuovo
Ginseng Design
U.4.P.1.
U.4.P.1.
U.4.P.1.

Meine Textfassung beruht, falls vorhanden, auf den Textbeilagen der offiziellen Veröffentlichungen (Booklet, Inlay, Cover etc.). Allerdings wurden alle Texte abgehört und nach dem gesungenen Wort korrigiert. Bei Songs, bei denen keine Textbeilagen verfügbar sind, basiert meine Fassung ausschließlich auf dem gesungenen Wort bzw. auch auf im Internet kursierenden Versionen. Textpassagen, die im Dialekt gesungen wurden, stehen in gemäßigter Transliteration. Rechtschreibfehler, sowohl deutsche als auch englische, wurden in eklatanten Fällen korrigiert. Die Rechtschreibung beruht teils auf der zur jeweiligen Zeit gültigen (Textbeilagen), teils auf der neuen Rechtschreibung (eigene Abhörungen). Auf Satzzeichen wurde im Allgemeinen verzichtet. Für Verbesserungsvorschläge bin ich dankbar.