Song

Cyberlove

Laufzeit

3:33 Minuten

Album

Out Of The Dark (Into The Light) [1998]

Musik, Text und Produktion

Musik: Torsten Börger
Text: Falco, Torsten Börger, Claudia Alexendra Wohlfromm
Produzent: Torsten Börger

Über den Song

Der zweite Song (neben Hit Me) auf diesem Album, in dem es um Sex und Liebe geht, hier allerdings in einer weitaus langweiligeren und plakativeren Form. Was den Song zu einem der schlimmsten in Falcos Karriere macht, ist aber nicht der plumpe Text, sondern die wirklich nur noch als Realsatire beschreibbare musikalische Gestaltung: so wird auch hier (wie auch bei Mutter, Der Mann Mit Dem Koks Ist Da) auf die Musikrichtung Techno zurückgegriffen – und zwar nochmals eine Stufe einfältiger, kläglicher und einfallsloser. Wer sich an die Teenie-Pop-Techno-Liedchen der deutschen Sängerin Blümchen in den 90ern erinnern kann, dem wird klar, wer hier Vorbild für die Produktion dieses Tracks war – Happy hardcore at its worst.

Produzent und Songwriter Torsten Börger fasst hier wirklich alles an, was damals schon als musikalische Lachnummer gegolten hat: nach einem Intro das aus dem Techno-Hit „Das Boot“ der deutschen Band U96 aus dem Jahr 1992 stammen könnte, hechelt Falco, danach beginnt eine Frauenstimme den Titel zu singen. Nach rund einer halben Minute setzt der billigste Techno-Beat, den man sich nur vorstellen kann, ein – gleichzeitig mit einer unglaublich naiven Melodienführung: Der gesamte Song klingt wie eine Parodie auf eine Musikform, die bereits Jahre zuvor ihren kreativen und auch kommerziellen Höhepunkt erreicht hatte. Darüber setzt Falcos Sprechgesang ein, mit viel Liebe könnte man die Nummer als Hommage an die deutsche Elektro-Kult-Band Kraftwerk sehen. Im Refrain kommt Falco dann (wie schon bei Shake und Mutter, Der Mann Mit Dem Koks Ist Da) eigentlich gar nicht mehr vor, die Frauenstimme übernimmt, Falco stammelt lediglich noch ein paar sexistische Wortfetzen („She doesn’t cook, she doesn’t clean, she lives inside of the machine“). Im Mittelteil setzt dann die Melodie wieder ein, es ist ein total verunglückter Versuch einen Kraftwerk-Track zu basteln, herausgekommen ist ein Werk, das wohl selbst bei Blümchen im Studio-Abfalleimer gelandet wäre.

Der Text stammt von Torsten Börger, Claudia Wohlfromm (Falcos damaliger Managerin) und von Falco selbst, behandelt werden die damals neu entstandenen Sex-Portale im Internet. Falco singt über eine Welt, in der Sex und Liebe in ungeahntem Ausmaß kommerziell gekauft werden können („Ich liebe dich im Internet, Computersex im Online-Bett, Gefühle sind total vernetzt“, „Jeder kommt bei jeder rein, gibt man nur das Passwort ein“). Der Kommerz der Online-Erotik erreicht durch das Internet seinen Höhepunkt („All major credit cards accepted“, „Heiße Liebe wird bestellt“, „Der Preis wird vorher ausgedealt, danach die Lady überspielt“, „as long as you pay“), gleichzeitig gibt es Verweise auf die Zensur („Wir verhütten mit Zensoren“) und auch auf die durch die Technisierung verlorengehenden Gefühle und Körperlichkeit („Kein Bedarf an Emotionen, virtuelle Erektionen in der vierten Dimension“) wird verwiesen. Falcos Nummer über die süchtig machende Liebe im Internet kommt dabei textlich ziemlich sexistisch und Plattitüden bedienend daher, einer der Fälle wo sich der Horror der Musik mit der Banalität der Lyrics perfekt vereint.

Auch die Kritiker nahmen sich kein Blatt vor den Mund. So erkannten auch die Salzburger Nachrichten die Ähnlichkeit mit dem Sound von Blümchen und schreiben 1998 über eine Nummer, „über die man am besten den Mantel des Schweigens“ hüllen sollte, ein mehr als treffender Kommentar. Das Magazin News erkennt in der „Reflexion über das, was heute Liebe ist“ einen „schlechten Kraftwerk-Verschnitt“ und das Profil schreibt zumindest neutral über „Falco in einer neuen, technischeren Rolle“.

Meiner Meinung nach ist dieser Song wohl der schlechteste, den Falco jemals aufgenommen hat. Er steht sinnbildlich für die Ratlosigkeit und die Verzweiflung, die während der Aufnahmen zu Falcos letztem Album nicht nur beim Künstler selbst, sondern auch bei seinem Produzenten und seinem Management geherrscht haben müssen. War Mutter, Der Mann Mit Dem Koks Ist Da bereits ein mehr als untypischer (und letztlich sogar halbwegs erfolgreicher) Versuch, mit einem Techno-Soundteppich wieder an frühere Glanztaten anknüpfen zu können, so scheint hier vollends die völlige kreative Kapitulation Falcos zugunsten eines schamlos-kommerziellen Ansatzes durch. Eine Qualitätskontrolle scheint es ab 1995 nicht mehr wirklich gegeben zu haben, Falco ordnete seine Ansprüche ab diesem Zeitpunkt völlig dem kommerziellen Resultat unter. Im schlimmsten Fall kam dabei so etwas wie diese Nummer heraus: eine völlig lachhafter Hybrid aus einem bereits zum Entstehungszeitpunkt peinlichen Sound und einem unvorstellbar anspruchslosen Text, quasi das schlechteste aus zwei Welten – weder künstlerisch ansprechend noch kommerziell erfolgreich. Ein einzigartiges Desaster, ein Denkmal von Falcos absolut leeren kreativen Batterien und der Wahl eines hemmungslosen und ungenierten Produzenten-Team, das auch keinerlei Ahnung hat, wie man den Superstar der 1980er Jahre ein Jahrzehnt später musikalisch und inhaltlich neu positionieren könnte.

Text

(All systems: go
Cyberspace
Cyberlove
Cyberlove
All systems: go
Cyberlove, lalalala
Cyberlove, lalalala
Cyberspace)

Attention!
You must be older than 18
All major creditcards accepted

Ich liebe dich im Internet
Computersex im Online-Bett
Es wird durch bytes und bites gehetzt
Gefühle sind total vernetzt

Jeder kommt bei jeder rein
Gibt man nur das Paßwort ein
Die neue Droge ist geboren
Und das Virus hat verloren
Wir verhüten mit Sensoren

(Cyberlove, lalala)
She doesn't cook
(Cyberlove, lalala)
She doesn't clean
(Cyberlove, lalala)
She lives inside
(Cyberlove, lalala)
Of the machine

Die Blonde oder die Brünette
Ich hab sie alle auf Diskette
Heiße Liebe wird bestellt
In einer abgespacten Welt

Der Preis wird vorher ausgedealt
Danach die Lady überspielt
Kein Bedarf an Emotionen
Virtuelle Errektion
In der vierten Dimension

(Cyberlove, lalala)
She doesn't cook
(Cyberlove, lalala)
She doesn't clean
(Cyberlove, lalala)
She lives inside
(Cyberlove, lalala)
Of the machine

(Cyberlove, lalala)
She loves to scream
(Cyberlove, lalala)
She loves to stay
(Cyberlove, lalala)
Here on the screen
(Cyberlove, lalala)
As long as you pay

Meine Textfassung beruht, falls vorhanden, auf den Textbeilagen der offiziellen Veröffentlichungen (Booklet, Inlay, Cover etc.). Allerdings wurden alle Texte abgehört und nach dem gesungenen Wort korrigiert. Bei Songs, bei denen keine Textbeilagen verfügbar sind, basiert meine Fassung ausschließlich auf dem gesungenen Wort bzw. auch auf im Internet kursierenden Versionen. Textpassagen, die im Dialekt gesungen wurden, stehen in gemäßigter Transliteration. Rechtschreibfehler, sowohl deutsche als auch englische, wurden in eklatanten Fällen korrigiert. Die Rechtschreibung beruht teils auf der zur jeweiligen Zeit gültigen (Textbeilagen), teils auf der neuen Rechtschreibung (eigene Abhörungen). Auf Satzzeichen wurde im Allgemeinen verzichtet. Für Verbesserungsvorschläge bin ich dankbar.