Song

Terrorprofi aus der BRD (Chorprobe)

Laufzeit

3:22 Minuten

Entstehungszeit und Veröffentlichung

1982 (Entstehung; Veröffentlichung auf der Bonus-CD "Sondermüll", Beilage der Wiederveröffentlichung des Albums "Psychoterror" von Drahdiwaberl, 2019)

Musik, Text und Produktion

Musik: Christian Teuscher
Text: Heinz Nessizius, Stefan Weber
Produzent: Markus Spiegel; Gregor Homacek, Richard Österreicher (?)

Über den Song

Ähnlich wie bei The Message handelt es sich auch hier um keinen normalen Song im eigentlichen Sinn, vielmehr lieh hier Falco im Jänner 1982 bei einer Chorprobe seiner ehemaligen Band Drahdiwaberl seine Stimme. Auf der finalen Albumversion dieses Lieds, das auf der LP „McRonalds Massaker“ (auf der Falco trotz seines sich bereits anbahnenden Solo-Erfolgs zu dieser Zeit noch Bass spielte) erschien, ist Falcos Stimme nicht mehr zu hören. Die Probeaufnahme mit Falcos Beitrag wurde 2019 auf einer limitierten Bonus-Raritäten-CD veröffentlicht.

Während rund dreieinhalb Minuten hört man in diesem Tondokument Dialoge und Studiogespräche zwischen Falco, Stefan Weber und anderen Mitgliedern der Band. Dazwischen probt die Band den Song und diskutiert, ob gewisse Passagen von der Band selbst oder einem bereits engagierten professionellen Chor am Folgetag eingesungen werden sollen. Man hört in diesem Mittschnitt Falco sowohl im Gespräch als auch führend beim Proben beziehungsweise Einsingen des von Heinz Nessizius geschriebenen Refrains.

Der Song in der finalen Albumversion (ohne Falcos Stimme) ist eine simple Mischung aus Keyboards und Drums, wie so oft bei Drahdiwaberl geht es ja schließlich mehr um den Text als die musikalische Virtuosität und Eleganz. Der Refrain geht jedoch gut ins Ohr und bildet eindeutig den Höhepunkt des Songs. Thematisch geht es um eine Persiflage von Richard Nimmerrichter, alias Staberl, dem berühmt-berüchtigten ehemaligen Kolumnisten der österreichischen Kronen-Zeitung. Dieser sehr umstrittene Journalist wurde im Laufe seiner Tätigkeit insgesamt 58 Mal verurteilt, meistens wegen übler Nachrede. Nimmerrichter wurden oft antisemitische und rassistische Untertöne in seinen täglichen Kolumnen und seine offene Sympathie für den rechtspopulistischen Politiker Jörg Haider vorgeworfen.

Dementsprechend beginnt der Song auf dem Album mit einer boshaften Parodie auf ebendiesen Kolumnisten, es wird ihm Frauenfeindlichkeit und Xenophobie unterstellt und auch, dass er seine Themen ohne faktischen Nährboden unter Alkoholeinfluss findet. Danach setzt Stefan Webers Text ein, er spielt auf einen, von Nimmerrichter Anfang der 1980er Jahre herbeigeschriebenen linksradikalen Terrorimport von Deutschland nach Österreich an. Natürlich ist dieser Text typischerweise sehr sarkastisch, am Ende des Liedes wird im Zuge eines gesunden Volksempfindens die Todes- und Prügelstrafe für Kommunisten, Anarchisten, Ausländer, Terroristen, Emanzen, Hausbesetzer etc. gefordert, bevor dann die Nummer in einem Fußballgesang mit „Immer wieder, immer wieder, immer wieder Drittes Reich“-Chören endet. Herrlich geschmacklos!

Im Refrain kommt dann eine fröhliche Mitsinghymne, die sich offen gegen die Polizei wendet und in der Logik des Texts von den linken Agitatoren gesungen wird – gleichzeitig ist dies die Textpassage, in der in der Chorprobe Falcos Stimme vorkommt: „Haut die Bullen flach wie Stullen, schau wie sie rennen, sie rennen, auch Wien muss brennen, brennen! Auch Wien, auch Wien muss brennen!“ Wenn man bedenkt, dass Falco zur Zeit der Aufnahme der Chorprobe, bei der er diesen Refrain singt, bereits mit Der Kommissar in den Charts war, ist der Umstand, dass er einen solch radikalen, wenngleich hochironischen Text zum gleichen Thema singt, umso unterhaltsamer. Auch ist es ein gutes Beispiel dafür, wie unterschiedlich Falco und seine ehemalige Band Drahdiwaberl das gleiche Thema in extrem abweichender Art und Weise behandeln.

Die Chorprobe-Version bei der Falco den Refrain singt, wurde 2019 im Zuge der Vinyl-Wiederveröffentlichung des Drahdiwaberl-Debutalbums „Psychoterror“ auf einer Bonus-CD veröffentlicht. Dieser Release war auf 750 Stück limitiert, die CD mit dem Namen „Sondermüll, Raritäten 1969-2019“ lag jeder Schallplatte kostenlos bei und beinhaltet neben diversen Probeaufnahmen, Sprechproben und Live-Aufnahmen auch bisher unveröffentlichte Songs.

Die Aufnahme ist trotz oder gerade wegen ihres Probeaufnahmencharakters sehr spontan und witzig. Man hört Falco wie er im Studio herumalbert und auch konkrete Handlungsaufforderungen an den Toningenieur gibt. Darüber hinaus ist sein stimmlicher Beitrag beim zuvor erwähnten Refrain sehr prominent und dieser aufgrund des Textes gleichzeitig amüsant und kontrovers – man stelle sich vor, der größte Popstar eines Landes sänge heutzutage diese Zeilen, ein Shitstorm enormen Ausmaßes wäre sicherlich die Folge, schön waren die politisch noch nicht so überkorrekten Jahre Anfang der 1980er.

Text

Keine Komplimente, okay?

Das ist nicht der Originalchor…

Also, vielleicht können wir einmal zum Playback den Originalchor vorzeigen?
Nein, ich mein den Chor jetzt zum Playback dazu natürlich!
Christian! Du verstehst mich falsch!

Dann mach morgen bei der Demo mit, ja

Haut die Bullen flach wie Stullen
Schau wie sie rennen
Sie rennen, sie rennen

Haut die Bullen flach wie Stullen
Schau wie sie rennen
Sie rennen, sie rennen
Auch Wien muss brennen, brennen
Auch Wien, auch Wien muss brennen

Na siehst, weil du jetzt das Playback abgedreht hast, hab ich sofort meinen Ton verloren…
Du verstehst?

Heast, ich steh auf den Chor, aber morgen kommt ein Profichor
Die proben jede Woche mindestens einmal

Ah geh, das können wir mindestens so gut

Und die kriegen ein Geld und die sollen was tun für Ihr Geld
Und die machen das zehnmal besser als wir

Was hast denn?

Was heißt „Was hast denn?“
Die kriegen eine Fixgage

Na geh, bitte schick das Playback rein

Dann mach morgen bei der Demo mit, ja

Haut die Bullen flach wie Stullen
Schau wie sie rennen
Sie rennen, sie rennen

Haut die Bullen flach wie Stullen
Schau wie sie rennen
Sie rennen, sie rennen
Auch Wien muss brennen, brennen
Auch Wien, auch Wien muss brennen

Um es ehrlich zu sagen, ich bin im Arsch
Ich könnt’s gehen, ich bin krank
Ich scheiß‘ heute drauf

Der klingt nicht nur komisch, der ist schon immer komisch gewesen

Außerdem!

Geh bitte! Könntest du dafür sorgen, dass wir was im Kopfhörer haben vom dem was wir singen? Da ist nämlich nichts da…

Ja genau, ich hör nämlich überhaupt nichts

Ja, jetzt kommt der Körper, langsam, langsam
Das wird genug sein

Ich muss mal durch wegen der Abstimmung, ja?
1,2, 3

Bitte weniger Kopfhörer!
Yeah
1, 2, stress, four

Haut die Bullen flach wie Stullen
Schau wie sie rennen
Sie rennen, sie rennen

Falsch!
1, 2, 3, 4

Haut die Bullen flach wie Stullen
Schau wie sie rennen
Sie rennen, sie rennen

Das ist falsch!
Was singst du da? Darf ich mal sehen?

Lala
Eine große Terz liegt hinter mir
Schau wie sie rennen

Ich singe ungern unter dir Terzen

Bitte, da müssten wir zehn Spuren haben, dann könnten wir es machen

Dann mach morgen bei der Demo mit, ja

Haut die Bullen flach wie Stullen
Schau wie sie rennen
Sie rennen, sie rennen

Haut die Bullen flach wie Stullen
Schau wie sie rennen
Sie rennen, sie rennen
Auch Wien muss brennen, brennen
Auch Wien, auch Wien muss brennen

 


Anmerkung: Bei den normal dargestellten Textbausteinen singt Falco alleine, bei den kursiven diverse Bandmitglieder von Drahdiwaberl. Falco singt lediglich bei dieser Chorprobe, nicht auf der finalen Albumversion dieses Songs.

Meine Textfassung beruht, falls vorhanden, auf den Textbeilagen der offiziellen Veröffentlichungen (Booklet, Inlay, Cover etc.). Allerdings wurden alle Texte abgehört und nach dem gesungenen Wort korrigiert. Bei Songs, bei denen keine Textbeilagen verfügbar sind, basiert meine Fassung ausschließlich auf dem gesungenen Wort bzw. auch auf im Internet kursierenden Versionen. Textpassagen, die im Dialekt gesungen wurden, stehen in gemäßigter Transliteration. Rechtschreibfehler, sowohl deutsche als auch englische, wurden in eklatanten Fällen korrigiert. Die Rechtschreibung beruht teils auf der zur jeweiligen Zeit gültigen (Textbeilagen), teils auf der neuen Rechtschreibung (eigene Abhörungen). Auf Satzzeichen wurde im Allgemeinen verzichtet. Für Verbesserungsvorschläge bin ich dankbar.