Song

Krise

Laufzeit

3:54 Minuten

Album

Verdammt Wir Leben Noch [1999]

Musik, Text und Produktion

Musik: Thomas Lang, Thomas Rabitsch
Text: Falco, Riem Higazi
Produzent: Unbekannt (1997, unveröffentlicht); Thomas Rabitsch, Thomas Lang (1999)

Über den Song

Der letzte von Falco vor seinem Tod aufgenommene Song stammt, wie die bereits 1995 entstandenen Songs Verdammt Wir Leben Noch, Die Königin Von Eschnapur und Europa, aus der musikalischen Feder von Thomas Rabitsch und Thomas Lang. Entstanden ist der Track im November 1997, im Rahmen der Suche nach Material für das geplante Album „Egoisten“ (das nach Falcos Tod bekannterweise unter dem Titel Out Of The Dark (Into The Light) auf den Markt gebracht wurde), veröffentlicht wurde er aber (wie auch der Titel Push! Push!, der im gleichen Zeitfenster aufgenommen wurde) erst posthum 1999. Die Originalversion ist bis heute unveröffentlicht, die 1999 verwendete Version wurde von Thomas Rabitsch und Thomas Lang neu abgemischt. Es ist jedoch anzunehmen,dass auch diese Nummer zumindest teilweise ein Sample-Song ist.

Veröffentlicht auf dem kompilierten Album Verdammt Wir Leben Noch, ist es eine Nummer im damals angesagten Techno-House-Stil. Sie beginnt mit einem wilden Beat, dazwischen rappt Falco seine Texte. Beim Refrain setzt eine Frauenstimme ein, sie übernimmt den Hauptteil dieses Liedteils. Nach der Wiederholung von Strophe und Refrain folgt im instrumentalen Mittelteil ein chaotisches Durcheinander von elektronischen Elementen und Spielereien. Der Track klingt danach mit mehrfachen Wiederholungen des Refrains aus. Es ist ein schneller, hektischer Tanzbeat, der die Nummer zusammenhält, man kann annehmen, dass der Song in dieser Form nicht von Falco geplant war – vielmehr erscheint es wahrscheinlich, dass Falco gemeinsam mit Rabitsch und Lang im Studio experimentiert hat und die endgültige Form des Stücks dann erst nach Falcos Tod zu einem Song in dieser Ausprägung zusammengesetzt wurde. So besteht der Refrain ausschließlich aus einer Frauenstimme, dieser Liedbestandteil dürfte nachträglich von Rabitsch und Lang komponiert und zu Falcos Textexperimenten hinzugefügt worden sein. Gerade diese, vielleicht erst nachträglich erstellte, Form der Nummer lässt Ide Hintze (der Leiter der Schule für Dichtung in Wien) davon sprechen, dass „ein komplizierter Strophenaufbau mit vielen Wiederholungen“ vorliegt. Es ist also höchstwahrscheinlich auch dieser Track ein Sample-Song, zumindest beim Refrain erscheint dies unzweifelhaft.

Den Text hat Falco mit der FM4-Radiomoderatorin Riem Higazi geschrieben, sie schildert den Hergang dieser Zusammenarbeit so: „Ich hab’ zu der Zeit in London gelebt und war mit Thomas Lang, dem Drummer von Falco, zusammen. Falco hat damals in London eine Platte aufgenommen und uns angerufen, weil er eine Übergangsstrophe für eine Technonummer brauchte. Und die hab’ ich ihm geliefert“. Im Buch Privacy Falco findet man übrigens einen Auszug aus Falcos Textheft („Egotrip. Krise, welche Krise? Strom – Steckdose – Tanken von 100“), der auf die Verwendung dieser Zeile in diesem Song schließen lässt.

Vielfach nimmt Falco auch Bezug auf die „Dreigroschenoper“ von Berthold Brecht aus dem Jahr 1928: in der „Moritat von Mackie Messer“ heißt es: „Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht“, eine Formulierung, die Falco hier offensichtlich in nur leicht veränderter Form übernimmt („Mackie Messer hat ein Messer, und das trägt er im Gesicht“).

Auch ein bekanntes Zitat des ehemaligen britischen Premierministers James Callagham verwendet Falco – angesprochen auf die 1979 herrschende Ölknappheit antwortete der Politiker (angeblich) mit den Worten: „Crisis? What Crisis?“

Ansonsten besteht Falcos Text hauptsächlich aus wild und unzusammenhängenden Worten. Zwar gibt es Referenzen auf Sex („Her legs have been so spreadable, it simply was incredible. The stuff was quite alright, but the action was forgetable“) und im Refrain wird fast schon esoterisch formuliert („If you look back on the crisis, from the ending to the start, you’ll always find the reason was a crisis of the heart“).

Das österreichische Magazin News lobt 1999 den „tollen Techno-Sound“ der Nummer und verweist nicht unironisch auf die „charakteristischen Wortspiele zu einem Begriff aus Falcos biographischer Grundausstattung“. Ewa Mazierska bezeichnet den Song in ihrem Buch als „apocalyptic discourse“ und die Protagonisten als „techno sound crisis generation“. Sie meint weiters: „In Falcos works, apocalypse does not take the shape of an abrupt ending to the old world but a permanent state of decline and slow agony“. (In this song) this state is domesticated and normalized, as indicated by its title and the refrain. The lyrics sound like a caricature of managerial speak, whose purpose is to convince employers and customers that everything is under control and disaster is only a matter of perception.

Der Literat Ide Hintze erwähnt die Nummer ebenfalls, im Buch Falco’s Many Languages heißt es: „Falco wählte (bei dem Lied) einen komplizierten Strophenaufbau. Strophen mit vielen Wiederholungen, Stabreimen und Vokalharmonien, die einen deutlichen, kurzatmigen Rhythmus hervorrufen, werden unterbrochen durch inhaltlich sehr dichte Strophen. Die Wiederholungen (…) bewirken beim Hören ein „Einsinken“ in den Text und gleichzeitig eine Melodie, aus der er dann durch absichtlich eingefügte Brücken („Bis zur Unterlippe“) herausgerissen wird, um sofort wieder in die peitschende Lautmalerei hineingezogen zu werden. Der Bruch macht nicht nur auf den Sprachenwechsel aufmerksam, sondern komprimiert die inhaltliche Problematik in der Assoziation des Gefühls der Machtlosigkeit. „Bis zur Unterlippe“ ist die Modifikation einer Phrase, der davor und danach durch die sprachliche Gestaltung provozierte Rhythmus ist jenem von Wellenschlägen nachgeahmt, so dass die Assoziation der Phrase „Das Wasser steht einem bis zum Hals“ aufkommt. (Im Refrain) ändert sich der Rhythmus völlig, der schlagende, peitschende Takt weicht einem gebetsmühlenartigen, kreisförmigen, der durch kurzes Innehalten („Krise wie, Krise was“) einen Stillstand erfährt. Die Einflechtung des Moritats von Berthold Brecht führt im darauffolgenden englischen Text zu einem Verweis auf die Taten des frauenmordenden Mackie Messer. (Der Song) ist vom „poetisch-technischen“ Standpunkt aus wohl der bemerkenswerteste und „durchgestylteste“ Text in Falcos Opus. Zudem unterstützt der Textrhythmus den Inhalt in so hohem Maße, dass modifizierte Phrasen über den Rhythmus ableitbar sind.“

Meiner Meinung nach handelt es sich hier nicht so sehr um einen klar konzipierten und strukturierten Song, sondern vielmehr um ein Studio-Experiment, ein Probieren und Herumspielen mit Inhalten, Texten und Musik, das Falco kurz vor seinem Tod im November 1997 mit Thomas Rabitsch und Thomas Lang umgesetzt hat. Die Form, die die Nummer 1999 auf dem kompilierten Album Verdammt Wir Leben Noch hat, scheint erst nach Falcos Tod final fertigproduziert worden zu sein. Der Refrain wird von einer Frauenstimme gesungen, Falcos Beitrag beschränkt sich auf ein paar Worte, die auch in den Strophen vorkommen.

So wie sich die Nummer in dieser Ausprägung präsentiert, kann man nur von einem wilden Mix aus gehetzt vorgetragenen Strophen und einem dazu in krasser Opposition stehenden Refrain, der durch die liebliche Frauenstimme und die melodiöse und gesungene Form ein Gegensatzpaar darstellt. Stilistisch zwischen Techno und Dancefloor beziehungsweise Breakbeat wechselnd, ist es ein Stück, das wohl nur aufgrund des experimentellen Charakters ansatzweise interessant ist und das zumindest teilweise als Sample-Song anzusehen ist.

Text

Pass auf!

Krise wie?
Krise was?
Krise
Krise wie?
Krise was?

Immer tiefer, immer tiefer, immer tiefer
In die Krise
Krise wie?
Krise was?
Immer tiefer, immer tiefer, immer tiefer
In die Krise
Immter tiefer
Bis zur Unterlippe

Crisis is a killer
You know Krise is a killer
I'm not sure
Is there a cure?
I'm not sure
Is there

Crisis?
Crisis?
What crisis?
What crisis?
Ha?

(If you look back on the crisis)
Krise wie?
(From the ending to the start)
Krise was?
(You'll always find the reason
Was a crisis of the heart)
Krise
(If you look back on the crisis)
Krise wie?
(From the ending to the start)
Krise was?
(You'll always find the reason
Was a crisis of the heart)

Krise wie?
Krise was?

Mackie Messer hat ein Messer
Und das trägt er im Gesicht
Er sagt
Her legs have been so spreadable
It simply was incredible
The stuff was quite alright
But the action was forgetable

Ist es die Brise, diese miese
Die die Stadt treibt in die Krise
Oder ist es bloß das Fehlen
Einer weiteren verwaltungsamtlichen Expertise?
Expertise wie?
Expertise was?
Expertise wie?

(If you look back on the crisis)
Krise wie?
(From the ending to the start)
Krise was?
(You'll always find the reason
Was a crisis of the heart)
Krise
(If you look back on the crisis)
Krise wie?
(From the ending to the start)
Krise was?
(You'll always find the reason
Was a crisis of the heart)
Krise

What crisis?
Crisis?
What crisis?
What crisis?

(Crisis of the heart)

Die Stadt tankt diese Krise
Immer tiefer in den Tank
Krise wie?
Krise was?
Und vom Gestank in diesem Tank
Wird noch die Sicherheitsbehörde krank
Krank?

(If you look back on the crisis)
Krise wie?
(From the ending to the start)
Krise was?
(You'll always find the reason
Was a crisis of the heart)
Krise
(If you look back on the crisis)
Krise wie?
(From the ending to the start)
Krise was?
(You'll always find the reason
Was a crisis of the heart)
Krise

(Crisis of the heart)
Krise wie?
Krise was?
(Crisis of the heart)
Krise wie?
Krise was?

(If you look back on the crisis)
Krise wie?
(From the ending to the start)
Krise was?
(You'll always find the reason
Was a crisis of the heart)
Krise
(If you look back on the crisis)
Krise wie?
(From the ending to the start)
Krise was?
(You'll always find the reason
Was a crisis of the heart)

Meine Textfassung beruht, falls vorhanden, auf den Textbeilagen der offiziellen Veröffentlichungen (Booklet, Inlay, Cover etc.). Allerdings wurden alle Texte abgehört und nach dem gesungenen Wort korrigiert. Bei Songs, bei denen keine Textbeilagen verfügbar sind, basiert meine Fassung ausschließlich auf dem gesungenen Wort bzw. auch auf im Internet kursierenden Versionen. Textpassagen, die im Dialekt gesungen wurden, stehen in gemäßigter Transliteration. Rechtschreibfehler, sowohl deutsche als auch englische, wurden in eklatanten Fällen korrigiert. Die Rechtschreibung beruht teils auf der zur jeweiligen Zeit gültigen (Textbeilagen), teils auf der neuen Rechtschreibung (eigene Abhörungen). Auf Satzzeichen wurde im Allgemeinen verzichtet. Für Verbesserungsvorschläge bin ich dankbar.