Song
Laufzeit
3:46 Minuten
Album
Out Of The Dark (Into The Light) [1998]
Musik, Text und Produktion
Musik: Rio Reiser
Text: Rio Reiser
Produzent: Reinhold Heil & Udo Arndt
Über den Song
Die Coverversion eines Songs von Rio Reiser ist textlich eine sehr charmante und stimmige Aneignung, die musikalische Umsetzung im damals angesagten Drum&Bass-Sound war jedoch bereits bei der Veröffentlichung ein bisschen zwanghaft, sie gibt der Nummer ein unnötig enges Sound-Korsett vor. Produziert wurde der Track von Reinhold Heil, der als Mitglied der Nina-Hagen-Band Berühmtheit erlangte und auch Nena und die Rainbirds produziert hat, und Udo Arndt, der eine unmittelbare Verbindung zu Rio Reiser darstellt, schließlich hatte er im Rahmen mehrerer Alben mit dem deutschen Sänger zusammengearbeitet. Falcos damaliger A&R-Manager George Glück war übrigens rund zehn Jahre zuvor Manager von Rio Reisers Band Ton, Steine, Scherben gewesen.
Falco hat das Lied zu Lebzeiten mehrmals in Interviews erwähnt, es dürfte also einen hohen Stellenwert für ihn gehabt haben (vor seinem Tod hat Falco darüber hinaus lediglich über Out Of The Dark und Egoist gesprochen, diese beiden Nummer hat er auch 1997 live aufgeführt): „Für Aufsehen wird aber vor allem die Coverversion des Rio Reiser-Songs sorgen. Ich hatte leider nie die Gelegenheit, Rio persönlich kennenzulernen. Vor lauter Berührungsängsten hätten wir uns wahrscheinlich auch nie gefunden. Außer vielleicht bei den Sünden des Lebens. Ich muss dazu allerdings sagen, dass ich den Song kurz vor Rios Tod (20. August 1996; Anmerkung) eingespielt habe. Und alle, die Rio kannten und denen ich die Nummer vorgespielt habe, meinten, Rio hätte lauthals gelacht und die Tantiemen eingesackt. Meine erste Band Drahdiwaberl waren ja politisch nicht sehr weit von Ton, Steine, Scherben entfernt“. Diese Verbindung zwischen ihm und Rio Reiser, die Falco in diesem Interview herstellte, wurde später von Ewa Mazierska in ihrem Buch so kommentiert: „By recycling Rio Reiser’s song, Falco inevitably confronted his own position as a „compulsive seller“ to the monster of capitalism, but also pointed to the fact, that those arguably more principled artists such as Reiser or even Brecht, where not very different to him. This ‘money is not good, but you cannot do without, all alternatives are hopelessly utopian, so maybe it’s not so bad after all’ approach” zeigt für sie, dass sich Falco sehr bewusst in dieser Rolle als “Unangepasster in einem angepassten Geschäft” (Zitat Falco) gesehen hat. Und in der Tat ist auch der Vergleich zwischen Ton, Steine, Scherben und Falcos ehemaliger Band Drahdiwaberl nicht allzu weit hergeholt: beide Formationen galten als Polit-Combos deren Fans hauptsächlich aus dem linken politischen Lager stammten. Allerdings bleibt anzumerken, dass Reisers Band schon sehr viel ernsthafter und konsequenter diese linken Positionen vertrat, Drahdiwaberl war da deutlich humorvoller und selbstironischer.
Die Coverversion wurde auf dem Album aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen versteckt: der zehnte Song der LP wurde nicht als eigener Titel mit Tracknummer und Namen aufgeführt, vielmehr wurde lediglich nach dem neunten Lied, Naked, eine Zeile mit den kryptischen Angaben „Matth. XI, 15“ angedruckt. Diese Abkürzung steht für eine Bibelstelle (Evangelium nach Matthäus, Kapitel 11, Absatz 15) und verweist auf den versteckten Status des Lieds: „Wer Ohren hat, der höre!“. Warum die Nummer als sogenannter „Hidden Track“ auf das Album gegeben wurde (der Song ist nicht direkt auf der CD anwählbar, vielmehr startet er rund zwei Minuten nach Verklingen des Tracks Naked auf der gleichen Tracknummer) ist unklar. Vielleicht waren es lizenzrechtliche Gründe, vielleicht wollte man aber auch nur originell sein und hat die Coverversion deshalb als „Ghost track“ auf der LP versteckt. Interessanterweise sind beim Originalalbum auch keine Autoreninfos angegeben, es wurde lediglich „Inspired by the late but great König of Germany“ angegeben. Auch als der Song als B-Seite der Single Push! Push! verwendet wurde, wurde diese Zeile verwendet, die Nummer aber mit ihrem eigentlichen Titel offen und klar angegeben. Auch bei der Veröffentlichung der Deluxe Edition des Albums im Jahr 2012 wurde der Song mit Titel und Tracknummer am Cover vermerkt. 2017, als das Album erstmals als Vinyl auf den Markt kam, wurde die Existenz der Nummer jedoch vollends verschwiegen, hier findet sich nicht mal mehr die Bibelstelle als Info auf dem Cover.
Dieser seltsame Umgang mit der Angabe der Coverversion auf der LP könnte in der Tat damit zu tun haben, dass die Urheberschaft des Songs eine seltsame ist: so steht zwar fest, dass Rio Reiser sowohl die Musik als auch den Text geschrieben hat, auf der Deluxe 2CD-Edition des Albums von 2012, sind jedoch Robert Rayen und Peter Möbius als Autoren angegeben (obwohl bei Reisers Song von 1990 sowohl die Musik- als auch die Texturheberschaft klar auf allen Veröffentlichungen auf Reiser verweist).
Und noch eine skurrile Tatsache: Auf dem Album „Über Alles“ von Rio Reiser, das 1993 erschienen ist, gibt es ebenfalls als „Hidden Track“ einen Song, der genauso versteckt mit der Angabe „Matth. XI, 15“ angegeben ist. Falco (beziehungsweise George Glück, der ja Rio Reisers Manager war und von dieser Vorgehensweise sicher wusste) dürften hier also bewusst auf den Autor der Coverversion Bezug genommen haben. Ein Verwirrspiel auf mehreren Ebenen!
Während der Song in der Originalversion bei Rio Reiser musikalisch recht konventionell als Reggae umgesetzt wurde, gibt Falcos Produzenten-Duo der Nummer einen relaxten Drum&Bass-Sound. Die Instrumentalisierung ist sehr minimalistisch im Break-Beat gehalten, lediglich Synthesizer, Bass und Schlagzeug bestimmen das grobe Klangbild. Nach rund eineinhalb Minuten verändert sich der Rhythmus und eine laszive Frauenstimme haucht den Songtitel. Nach einer Rückkehr zum ursprünglichen Tempo verklingt die Nummer tranceartig im Fade Out.
Falco lässt große Teile des Textes der Originalfassung intakt und unverändert, lediglich bei manchen Passagen ändert er einzelne Worte: wo Rio Reiser singt „…mach ich an der nächsten Ecke eine Lottobude auf“, wird bei Falco ein Spielcasino daraus. Auch gibt Falco sein Geld nicht für „Platin, Gold und Aktien“, sondern für Frauen mit den Namen „Eva, Maria, Natascha“ (die beiden ersten Namen kommen übrigens auch im Song Vienna Calling vor) aus und kauft sich kein „riesengroßes“, sondern ein „adäquates“ Haus. Auch gibt es bei Falco keine „Moral“ von der Geschichte, sondern nur die „Quintessenz“ und bei ihm weinen auch nicht die „Gerichtsvollzieher“, sondern seine „Steuermänner“ (ein direkter Verweis auf den Song Steuermann aus dem Album Junge Roemer von 1984). Zu guter Letzt verändert er auch den Sinn des Satzes „Man kann bekanntlich alles, außer Liebe, dafür kaufen“, wenn er meint, dass man mit Geld „alles, auch die Liebe, dafür kaufen“ kann. Falcos Textänderungen verleihen den Passagen eindeutig eine andere Stimmung, sie betonen vor allem die hedonistische Sinnlosigkeit und lassen die Moral gänzlich außen vor. Auch Falcos illusionslose Sicht der Liebe, von der er meint, auch diese lasse sich kaufen, zeigt klar autobiographische Züge.
Falco lässt zudem den Refrain von Reisers Song völlig weg („Geld! Gib mir ein bisschen Geld! Ich brauch Geld! Jede Menge Geld! Manche haben’s, manche haben’s nicht, aber ich werde einfach sauer, wenn ich keines krieg!“) und fügt stattdessen ein paar neue, wahrscheinlich von ihm selbst geschriebene Zeilen ein: „Als armer Schlucker fängst du an und irgendwann dann kommt die eine oder andere Null dran“, „Der Millionär, der hat es schwer. Hat er es nicht oder hat er es doch nicht auch schwer?“, „Wovon spricht die junge Dame? Kannst du mir erklären, bitte, um was es geht? Um Kohle, um Knete, um Zaster, um Asche? Wie oder was oder wann oder wie oder was?“.
Man merkt bei dieser Nummer Falcos Lust an diesem monetären Thema und in der Tat hatte Falco ja spätestens Mitte der 1990er Jahre mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Nachdem diese durch die Presse publik wurden, wurden diese von Falco selbst auch oft zu dieser Zeit in Interviews aufgegriffen, diese Coverversion war sicherlich auch als selbstironische Antwort auf die Fragen zu dieser Thematik gedacht. Der Originaltext von Rio Reiser passt dabei perfekt, durch Falcos Änderungen kommt nochmals eine Prise Sarkasmus und selbstbezogene Ironie dazu. Er übernimmt Reisers durchaus gespaltene Haltung zu den Themen Geld und linke, antikapitalistische Lebenseinstellung und gibt einen Hauch dekadenten Genussmenschentum dazu.
Falco meinte 1996 in einem Interview zum Thema Geld das Folgende: „Mit der Zeit ist Geld für mich immer wertloser geworden. So blöd wie ich darf man halt nicht sein. Ich habe in meinem Leben immer in die falschen Dinge investiert. Ich habe keinen Respekt vor Geld. Für mich ist es bedrucktes Papier, das man verdient. Und sollte ich jemals pleite sein, werde ich keinem einzigen Schilling nachweinen, den ich ausgegeben habe. Ich habe gut genug davon gelebt“.
Auch die Zeile „Geld mach nicht glücklich, es beruhigt nur die Nerven. Man muss es schon besitzen, um es beim Fenster rauszuwerfen“ passt in diesem Zusammenhang sehr gut – während diese Worte bei Reisers Originalsong noch in einer Strophe auftaucht, macht Falco sie zum Refrain, zum Höhepunkt des Songs.
Falcos Coverversion wurde bei der Veröffentlichung (trotz dem Versteckspiel als „Hidden track“ auf dem Album) stets wahrgenommen und sehr positiv beurteilt: Der Musikexpress/Sounds schreibt 1998 vom „Höhepunkt des Albums, eine ebenso augenzwinkernde wie smarte Coverversion“, auch die Salzburger Nachrichten erkennen den „Höhepunkt der LP, ein verspielt-cooler Titel über das Geld und wie man es am besten ausgibt, eingebettet in Drum&Bass light-Improvisationen“. Die Kronen-Zeitung sieht „geniale Wortspiele, Rhythmuswechsel und Computer-Spracheffekte, ein Highlight des Albums, Falco scheint sein eigenes Leben und das Rätselraten um sein Vermögen aufs Korn zu nehmen“. Das Profil sieht eine „witzige und verstecke“ Coverversion,
Der Song über die Vor- und Nachteile von Geld (beziehungsweise des Habens oder Nichthabens desselbigen) ist, neben den beiden Singles, die aus dem Album ausgekoppelt wurden (Out Of The Dark und Egoist), ein Klimax einer ansonsten weit unterdurchschnittlichen LP. Das ist hauptsächlich auf den von Falco sehr einfallsreich und humoristisch veränderten Text von Rio Reiser zurückzuführen. Die musikalische Gestaltung hingegen ist sehr in ihrer Entstehungszeit verhaftet, eine andere Produktion mit einem anderen Klangteppich hätte der Nummer sicher mehr Hitpotential und auch Langlebigkeit verliehen. Der Charme des Liedes geht ein bisschen im harten Soundgewand und im Drum&Bass-Gewitter verloren – vielleicht war das aber durchaus auch so gewollt, gerade die spröde Sperrigkeit verleiht dem Song eine Einzigartigkeit und auch eine zum Thema sehr gut passende Nicht-Kommerzialität. Die Verweigerung einer einfacheren, angenehmeren und im Rahmen der Marktgesetze leichter verkaufbaren Form macht sicherlich auch einen Teil der Faszination dieses Titels aus.
Text
Als armer Schlucker fängst du an
Und irgendwann dann
Kommt die eine oder andere
Tja, Null dran
Der Millio-Millio-Millio-Millio-Millionär der hat es schwer
Der Millio-Millio-Millio-Millio-Millionär hat er es nicht
Oder hat er es doch
Hat er es nicht
Oder hat er es doch
Oder hat er es nicht
Oder hat er es nicht doch auch schwer?
Vor den Leuten, die es sammeln
Kann man eigentlich nur warnen
Denn noch nicht einmal Samt und Seide
Können ihre Pferdefüsse tarnen
D'rum wenn ich das große Los zieh'
Geb' ich sicher alles aus
Für Eva, Maria, Natascha und Pia
Und das adäquate Haus
Die Quintessenz von der Geschichte
Soll die Reichen jetzt erreichen
Vielleicht lässt der eine oder
Der eine oder andere
Mal sich erweichen
Denn mein Bankdirektor hungert
Meine Steuermänner weinen
Vielleicht schickt ein netter Millio-Millio-Millio-Millio-Millionär
Mir mal ein paar von seinen
Ein paar von seinen Scheinen
Denn
(Geld)
Macht nicht glücklich
(Geld)
Es beruhigt nur die Nerven
(Geld)
Man muss es schon besitzen
(Geld)
Um es beim Fenster rauszuwerfen
D'rum wenn ich das große Los zieh'
Und es geht nicht alles drauf
Mach' in der nächsten Stadt
Ich mir doch glatt ein Spielcasino auf
Und man kann bekanntlich alles
Auch die Liebe
Dafür kaufen
Tja
Doch der beste Weg von allen
Ist es einfach zu versauen
Denn
(Geld)
Macht nicht glücklich
(Geld)
Beruhigt nur die Nerven
(Geld)
Doch man muss es schon besitzen
(Geld)
Um es beim Fenster rauszuwerfen
Geld!
(Geld)
Wovon spricht die junge Dame?
Geld!
(Geld)
Geld!
(Geld)
Wovon sprichst du?
Sag einmal, sag einmal
Von was redest du eigentlich?
Kannst du mir erklären, bitte, um was es geht?
Um Kohle, um Knete, um Zaster, um Asche?
Wie oder was oder wann oder wie oder was?
Geld!
Geld!
Geld!
Geld!
(Geld)
Geld!
(Geld)
Meine Textfassung beruht, falls vorhanden, auf den Textbeilagen der offiziellen Veröffentlichungen (Booklet, Inlay, Cover etc.). Allerdings wurden alle Texte abgehört und nach dem gesungenen Wort korrigiert. Bei Songs, bei denen keine Textbeilagen verfügbar sind, basiert meine Fassung ausschließlich auf dem gesungenen Wort bzw. auch auf im Internet kursierenden Versionen. Textpassagen, die im Dialekt gesungen wurden, stehen in gemäßigter Transliteration. Rechtschreibfehler, sowohl deutsche als auch englische, wurden in eklatanten Fällen korrigiert. Die Rechtschreibung beruht teils auf der zur jeweiligen Zeit gültigen (Textbeilagen), teils auf der neuen Rechtschreibung (eigene Abhörungen). Auf Satzzeichen wurde im Allgemeinen verzichtet. Für Verbesserungsvorschläge bin ich dankbar.