Song

No Time For Revolution

Laufzeit

3:51 Minuten

Album

Out Of The Dark (Into The Light) [1998]

Musik, Text und Produktion

Musik: Torsten Börger
Text: Falco, Torsten Börger
Produzent: Torsten Börger

Sampling Versionen

  • Sterben Um Zu Leben Collaboration feat. Haze 2:49  (1998/2018)
  • Sterben Um Zu Leben Instrumental Collaboration feat. Haze 2:49  (1998/2018)

Über den Song

Der Eröffnungssong von Falcos achtem Album ist einer jener Nummern, bei der man das Gefühl hat, dass er sowohl hinsichtlich des Songwriting als auch produktionstechnisch viel Potential verschenkt. Es ist eines von Falcos soziologisch angehauchten Liedern, inhaltlich geht es um den gesellschaftlichen Wandel von den 1960er bis zu den 1990er Jahren.

Musikalisch beginnt es vielversprechend, nach dem Ertönen einer Polizeisirene setzt eine zurückhaltend im Hintergrund bleibende Gitarrenmelodie ein, gleichzeitig mit dem Beginn von Falcos Gesang reichern Drums den Sound weiter an. Der Beat ist dabei jedoch behäbig, alles klingt wie ein Intro zu einem deutlich dynamischeren Song. Nach rund 40 Sekunden hofft man dann beim ersten Break auf ebendiese Temposteigerung und auch auf eine stärkere Melodie, beide Wünsche erfüllen sich jedoch leider nicht. Zwar wird der Beat nun stärker und auch lauter, aber auf ein eingängiges und den Song vorantreibendes musikalisches Motiv wartet man vergebens. Auch wenn Falcos Rap anfängt, ändert sich nichts, die Nummer tröpfelt recht unaufgeregt und auch nicht besonders interessant vor sich hin. Nach einer sich hinziehenden Bridge wird man auch beim Einsetzen des Refrains enttäuscht, dieser unterscheidet sich soundtechnisch nicht vom Rest des Songs und verpufft so relativ eindruckslos. Lediglich das nun beginnende Gitarrenriff verleiht der Nummer zumindest ansatzweise die so dringend benötigte Dynamik. Auch die subtil eingesetzten elektronischen Elemente hätten Potential, werden aber nur zurückhaltend eingesetzt. Nach der zweiten Strophe und der Wiederholung des Refrains endet der Track träge und instrumental mit einer verklingenden Wiederkehr des Gitarrenriffs.

Der von Torsten Börger geschriebene und auch produzierte Song nennt Falco als Co-Autor der Lyrics, so richtig ist sein Input aber nicht zu hören. Es ist ein Song mit einem rein englischen Text, Falco dürfte dazu wohl nur einige Worte und Formulierungen beigetragen haben. Vielleicht hat Falco aber die thematische Idee zu diesem Song vorgegeben, schließlich sang er 1995 bei einer Benefizveranstaltung die Beatles-Nummer Revolution.

Inhaltlich hat der Song eine durchaus interessante Thematik, es geht um die sozio-kulturellen Veränderungen, um den gesellschaftlichen Wandel in den letzten Jahrzehnten. Man könnte insofern die Nummer als eine Art Fortführung von Auf Der Flucht oder Einzelhaft sehen, beides Falco-Songs mit einer ähnlichen inhaltlichen Stoßrichtung. Hier wie da geht es um Jugendbewegungen, um den sozialen Wandel – während Falco jedoch bei seinem Song aus dem Jahr 1982 noch auf Seiten der aufbegehrenden Jugendlichen zu stehen scheint, hat sich eineinhalb Jahrzehnte später sein Blickwinkel deutlich verändert. Falco beklagt resigniert, dass die heutige Jugend scheinbar keine Zeit mehr für Revolutionen und grundlegende Veränderungen hat. Die Kids scheinen frustriert zu sein, kaputt, ambitions- und visionslos, zudem noch politisch korrekt angepasst. In Zeiten einer kapitalistischen Konsumgesellschaft („the spirit of the money is the sign of the time“) herrscht eine große Desillusionierung, Frust über Politiker (auch das hatten wir doch schon einmal in einem Falco-Song, in Walls Of Silence) und eine allgemeine ambitionslose Verwirrung.

Falco klingt ein bisschen wie ein Oberlehrer, belehrend und vorwurfsvoll, es scheint, als sei er der Meinung, dass früher alles besser war. Dieser Perspektivenwechsel macht den Song zusätzlich ein bisschen altbacken, wenngleich Falco auch die Hoffnung anspricht, dass sich vielleicht in Zukunft die jetzige Jugend dann doch noch zu aktiven Protesten gegen das gesellschaftliche System aufschwingen könnte („there’s something coming up, a change of mind“). Auch spricht Falco die Verantwortung seiner eigenen Generation an, wenn er die Frage stellt, warum die Jugend so ist wie sie ist („But who’s in charge for the situation?“). Ähnlich sieht das Günter Zimmermann im Buch Falco’s Many Languages, ihm erscheinen in Falcos Song „die 60er und 70er wehmütig, fast innerlich verklärt“.

Ewa Mazierska beschreibt in ihrem Buch den Song folgendermaßen: „The song traces back an evaporation of revolutionary spirit from Western society, from the 1960s to the 1990s, dedicating each decade a sentence. Content-wise, it is a typical Falco song, as it adheres to his “small apocalypse” formula, by pronouncing that things declined in the described period, yet claiming that nothing can be done about it – the ship with humanity has to sink. Written entirely in English, it lacks the irony and poetic sophistication which informed Falco’s earlier “apocalyptic songs” such as Monarchy Now and Titanic. Falco also seemed to adhere to the rule, identified by Stuart Hall, that post-1968, the “cool” political position meant being against any parties and political programs and observing political games from a distance. Such an attitude is transmitted in this song, which render all political personalities and programs equally untrustworthy. Yet, staying away from politics equals voting for the winners and this captures Falco’s political and existential position well”.

Die Presse stand dem Titel durchaus positiv gegenüber. Das Magazin News diagnostizierte 1998 bei der Veröffentlichung einen „langsam groovenden Titel mit verzehrten Gitarren, einen typischer Falco-Ohrwurm mit englischem Text und tollem Refrain“. Das Nachrichtenmagazin Profil ortete in dem Song „die vielleicht stärkste Nummer“ (auf dem Album; Anmerkung) und lobte den „mitreißenden Rhythmus und den explosiven Refrain“. Die Kronen-Zeitung sieht Falco „musikalisch hautnah am Puls der Zeit, der Sound erinnert ein wenig an die britische Kultband The Prodigy und Drum & Bass“. Die Oberösterreichischen Nachrichten stuften das Lied in der Kategorie „Extraklasse“ ein, die Salzburger Nachrichten fühlen sich an Wiener Blut-Zeiten erinnert und hörten „eine Nummer mit treibendem Rhythmus und Gitarrenriffs“. Gleichzeitig wurde in dieser Zeitung kritisch angemerkt, dass dennoch „der Zahn der Zeit unbarmherzig“ an Falco und seiner Musik genagt hatte.

Der Song ist einer der besseren Songs auf dem Album, es wurde 1999 auch ein Video von Dolezal und Rossacher produziert, als Single wurde die Nummer jedoch schlussendlich nicht ausgekoppelt (wohl aufgrund der Tatsache, dass bereits eine Veröffentlichung der Single Push! Push! zeitnah geplant war). Der Videoclip folgt thematisch dem Inhalt des Songs, man sieht Aufnahmen von Polizeifahrzeugen, Polizisten, die Jagd auf Demonstranten machen, brennenden Mistkübeln, Mädchen in Mini-Röcken, Diktatoren, Atombombentests, des Papsts, von südamerikanischen und asiatischen Revolutionen, von Panzer und Friedensdemos, Fashion-Shows, UN-Soldaten, Punks, der Mondlandung, Vietnam, einer gebärenden Frau, John F. Kennedy, Menschen in U-Bahnen – zwischen all diese Szenen werden Aufnahmen von Falco geschnitten. Im zweiten Teil des Videos werden diese Aufnahmen dann rückwärts abgespielt verwendet. Ein netter Einfall, um auf die Dimension der Zeit aufmerksam zu machen (und natürlich gleichzeitig auch eine einfache und billige Art, den Videoclip eigentlich nur zur Hälfte gestalten zu müssen).

Falcos Nummer über wegen Zeitmangel nicht stattfindende Revolutionen ist eindeutig zu den besser gelungenen Nummern auf seinem letzten Album zu zählen. Gleichzeitig muss aber auch festgestellt werden, dass hier sicherlich Potential verschenkt wurde: musikalisch fehlt es an Durchschlagskraft und Energie, man hätte hier zweifellos die Zugänglichkeit und die Kommerzialität des letztlich dann doch trägen und müden Songs durch eine effektivere und fokussiertere Produktion verbessern können. Alles klingt ein bisschen wie auf dem Reißbrett entstanden, wie ein steril durchdachtes Konzept ohne wirkliche Kreativität. Wenn man dem Track eine stärkere Melodienführung gegeben und das Tempo verschärft hätte, wäre er sicherlich hitverdächtiger und weniger behäbig, schleppend und phlegmatisch geworden. Auch hätten die Lyrics, wenn sie zumindest teilweise in Deutsch verfasst worden wären, wahrscheinlich mehr Durchschlagskraft gehabt. Dass Falco Songs über gesellschaftliche Themen zu schreiben vermag, hat er mit Auf Der Flucht und Einzelhaft auf seinem Debutalbum bewiesen, der englische Text bei dieser Nummer kommt jedoch ein bisschen lahm und zahnlos daher, deutschsprachige Lyrics wären wohl bissiger geworden.  Ewa Mazierska nennt das Lied „lame and boring, it never takes up speed or gets interesting, it sounds like a demo” – eine Schlussfolgerung, der man sich nur anschließen kann. Der Song hätte Potential, entfaltet aber nie seine Wirkung und wirkt aufgrund der suboptimalen Produktion und des wenig interessanten und resignativen Texts langweiliger als er sein müsste.

Text

Confusion
Disillusion
No time
No time for revolution

No time for revolution
Illusions without a romance
You think at the bucks
Then you go on making sense

Back in the 60s
They'd stand up and fight
Fight for their dreams
Fight for their rights

In the 70s
Flower power took all over the place
Some went to San Franciso
Some went far out of space

In the 80s
I don't know
Some did it for the money
Some did it for the show

There's no time
No time to remember these days
No time to hold back in these days
We don't have no time, no time, no time, no time
No time for revolution
No time for revolution
No time for revolution
No time for revolution

In the 90s
There's a so-called lost generation
But who's in charge for the situation
Frustration about politicians
No ambitions
Tell me what's the vision

To be a winner
Is never ever a matter of how
Political correctness is the word of now
The spirit of the money is the sign of the time
There's something coming up
To change our mind

There's no time
No time to remember these days
No time to hold back in these days
We don't have no time, no time, no time, no time
No time for revolution
No time for revolution
No time for revolution
No time for revolution

Meine Textfassung beruht, falls vorhanden, auf den Textbeilagen der offiziellen Veröffentlichungen (Booklet, Inlay, Cover etc.). Allerdings wurden alle Texte abgehört und nach dem gesungenen Wort korrigiert. Bei Songs, bei denen keine Textbeilagen verfügbar sind, basiert meine Fassung ausschließlich auf dem gesungenen Wort bzw. auch auf im Internet kursierenden Versionen. Textpassagen, die im Dialekt gesungen wurden, stehen in gemäßigter Transliteration. Rechtschreibfehler, sowohl deutsche als auch englische, wurden in eklatanten Fällen korrigiert. Die Rechtschreibung beruht teils auf der zur jeweiligen Zeit gültigen (Textbeilagen), teils auf der neuen Rechtschreibung (eigene Abhörungen). Auf Satzzeichen wurde im Allgemeinen verzichtet. Für Verbesserungsvorschläge bin ich dankbar.