Song
Laufzeit
5:08 Minuten
Album
Single-Auskopplung
September 1981 (Österreich)
Charts: #72 AUT (2017)
Musik, Text und Produktion
Musik: Falco
Text: Falco
Produzent: Robert Ponger (?), Markus Spiegel (?), Peter J. Müller (?)
Offiziell veröffentlichte Mixes/Edits/Versionen
- "That Scene" (English Version) 4:22 (1981)
- Instrumental Version (English Version) 2:32 (1981)
- Long Instrumental Version (English Version) 4:08 (1981, veröffentlicht 2019)
Offiziell veröffentlichte Liveaufnahmen
- Wien, Stadthalle 5:24 (1982)
- Wien, Rathausplatz 8:36 (1985)
- Berlin, Eissporthalle 4:56 (1986)
- Wien, Donauinsel 5:03 (1993)
- Wiener Neustadt, Domplatz 5:20 (Symphonic Version) (1994/2008)
- Wien, Donauinsel 5:06 (Tribute Collaboration Donauinsel) (1993/2017)
Über den Song
Dieses Lied, welches Falco noch zu Zeiten schrieb, als er als Bassist der Wiener Undergroundband Drahdiwaberl tätig war, diente als sein Ticket zu seiner Solokarriere, als Visitenkarte für Größeres. Er ist einer von ganz wenigen Songs, bei denen Falco sowohl den Text als auch die Musik schrieb (obwohl es in Wien immer wieder Gerüchte gibt, dass sein Bandkollege Hansi Lang eifrig mitgeholfen hatte und das auch in der Lang-Biographie "Kind ohne Zeit" von Fabian Burstein behauptet wird). Das Lied diente bei Konzerten von Drahdiwaberl lediglich als Pausenfüller. Dennoch erfreute sich der ruhige Song über die Drogenkonsumgewohnheiten seiner Heimatstadt bald großer Beliebtheit und es war bei einem solchen Konzert, als Markus Spiegel, Chef der kleinen Wiener Plattenfirma GIG Records, auf den Bassisten der Band aufmerksam wurde. Spiegel sah großes Potential in diesem charismatischen jungen Mann und bot ihm einen Vertrag über drei Alben an. Man kann also ohne große Umschweife sagen, dass dieses Lied für Falco der Beginn seiner Karriere war.
Musikalisch ist der Song ungewöhnlich: er beginnt fast unhörbar nur mit einer hypnotischen Bassgitarre bevor dann schüchtern Schlagzeug und Klavier dazu kommen. Erst nach rund eineinhalb Minuten vernimmt man Falcos Stimme. Im weiteren Verlauf setzt dann eine Gitarre ein und schlussendlich explodiert der Song mit Falcos jetzt auch deutlich aufgeregterer Stimme ("Einmal wird der Tag kommen…") um dann sich dann wieder zu beruhigen und ebenso ruhig und entspannt auszuklingen wie er begonnen hat. Horst Bork, Falcos Manager, spricht von einer Konzentration auf das Wesentliche, einem fast schon meditativen Song. Es ist ein Stück über eine Szene, in der sich Falco damals konstant bewegte, eine Art Hymne auf diese Subkultur. Heinz Rudolf Kunze lobt den Song als "fiebrige Apokalypse in einer seit jeher sterbenden Stadt, für ihn ist es, als würde Artur Schnitzler Lou Reeds "Walk On The Wild Side" singen". Falco meint, es wäre eine "Anti-Drogennummer, ein Statement, dass es keine Zukunft für diese Szene gäbe". Es ist sicherlich einer, wenn nicht der authentischste Song Falcos. Ein witziger Zusammenhang fällt hier Ewa Mazierska auf: die Aufzählung der verschiedenen Alkoholarten ("Lager, Lager, Lager") im Film 'Trainspotting' von Danny Boyle aus dem Jahr 1996 erinnert in gewisser Weise an Falcos Aufzählung der Drogenart im Refrain ("Kokain, Heroin, Mozambin, Kodein") dieses Songs.
Es fällt auf, dass Falcos Texte hier, obgleich schon das typische Falconizing festgestellt werden kann, untypisch mundartlich daherkommen. Während sich Falco später bewusst von den Texten der ansonsten typischen österreichischen Liedermacherszene abzuheben versucht hat, steckt er hier noch voll im Dialekt. Nicht, dass das dem Song schaden würde, es verleiht ihm eine gewisse Authentizität, aber es ist auffällig, dass Falco wohl nie wieder österreichischer geklungen hat als hier (mit Ausnahme vielleicht von America und Wiener Blut ein paar Jahre später, bei letzterem Song ist die Verwendung der Mundart aber wohl auch ein Stilmittel). Gleichwohl ist bereits hier Falcos nasale, arrogante Stimme hörbar.
Im Text geht es um einen jungen Mann, der nachts durch die Straßen Wiens irrt, er ist Heavy Metal-Fan und scheint auch Alkohol und Drogen nicht abgeneigt zu sein. Ein Umstand, der ihm aber keine besonderen Probleme bereitet, befindet er sich doch in einer Stadt, in der ohnehin alle auf Drogen sind ("überhaupt in der Ballsaison"). Falco baut in den Text verschiedene Wiener Lokalitäten und Personen ein, so geht’s um die Disco U4 (was immer dort auch Goldfische zu schaffen haben) und auch der damalige österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky und sein Finanzminister Hannes Androsch werden erwähnt, beide in einem durchaus kritischen Unterton. Wenn denn wirklich mal die Apokalypse losbricht ("Einmal wird der Tag kommen, die Donau außer Rand und Band") haben sich die Eliten des Landes schon längst "auf sicheres Land" abgesetzt, der restlichen Bevölkerung bleibt dann nur noch, sich mit Drogen voll zu pumpen und in den Untergang zu tanzen (ein Thema auf das Falco elf Jahre später im Song Titanic nochmals zurückkommen sollte). Gleichzeitig spielt Falco aber auch mit dem Chic und der Attraktivität dieser Drogen, so kann man im Refrain je nach Bevorzugung "Ganz Wien ist so herrlich hin, hin, hin" oder eben auch "Ganz Wien ist so herrlich in, in, in" raushören.
Textlich leiht sich Falco eine Zeile von seinem Musikerkollegen Wolfgang Ambros ("Weiß wie Schnee" ist der Titel eines Ambros-Albums von 1980) und nimmt sich beim Titel Anleihen von Georg Danzers "Ganz Wien träumt von Kokain" von 1978 (wo es weiters heißt "Ganz Wien lähmt wie Kokain, ganz Wien tut so furchtbar in"). Der Song steht somit thematisch durchaus in einer langen Tradition österreichischer Drogen-Popsongs.
Die Single war Falcos allererste Solo-Veröffentlichung, die aber, aufgrund des für Radiohörer doch zu provokanten Textes, nur in einer englischsprachigen, kürzeren (ohne das hypnotische Bass-Intro) und neu aufgenommenen Version als Single erschien und nicht mal die österreichischen Charts (woanders wurde die Single nicht veröffentlich) streifte. Das Ganze hieß jetzt "That Scene (Ganz Wien)" und Falcos seltsames Englisch verhindert, dass man auch nur ansatzweise verstehen könnte, um was es jetzt da eigentlich geht… Neben dieser Nummer hat Falco im Laufe seiner Karriere später noch von Jeanny, Emotional und Titanic englischsprachige Versionen eingesungen.
Auf die B-Seite gab man in Ermangelung anderer zur Verfügung stehender Falco-Songs eine Instrumental-Version, auf der der österreichische Jazz-Gitarrist Karl Ratzer Gitarre spielt (es existiert noch ein weiterer Instrumental-Mix der über 4 Minuten lang ist, dieser wurde schließlich 2019 digital veröffentlicht). Die deutsche Originalversion verwendete man dann später auf der Single Maschine Brennt als B-Seite. Das Cover der Single "That Scene (Ganz Wien)" ziert eine sehr grobe Aufnahme von Falco mit seiner Bassgitrarre während eines Auftritts mit Drahdiwaberl, inklusive Sergeant Pepper Uniformjacke und noch ohne zurückgekämmtes Haar.
2023 erschien zum Record Store Day eine limitierte Neuauflage dieser Single im unveränderten Cover-Artwork und mit dem identen Tracklistung.
Auch ein Video wurde damals bereits angefertigt: es zeigt unseren Helden während er (in weißen Schuhen!) mit der Wiener U-Bahn fährt und von einem Unbekannten aufgehalten wird. Falco lüftet seinen Mantel, Exemplare der "That Scene (Ganz Wien)"-Single fallen zu Boden. Falco flüchtet über die Rolltreppen nach oben und entkommt in die Wiener Disco U4. Dort spielt Falco dann in seiner roten Bühnenjacke live den Song, auch hier ist der später typische Falco-Look noch nicht ganz vorhanden, seine Haare sind nicht zurückgekämmt. Dazwischen sieht man Tänzer in der Disco, ein Paar küsst sich. Danach läuft eine Frau im weißen Kleid vor einem Mann mit weißen Anzug davon und Falco betritt mit einer Flasche Sekt die Toilette im U4, wo eine lediglich mit durchsichtigen Negligé bekleidete Frau nur darauf gewartet zu haben scheint, von ihm mit dem Schaumwein begossen zu werden… Naja, freuen wir uns, dass es wenigstens ein Video zu dem Song gibt, oder? Obwohl: nach Falcos Tod drehten die Videoproduzenten Dolezal & Rossacher ein neues Video zu diesem Song, hier wurden zu Teilen des Originalvideos noch Aufnahmen von Wien, die im Rahmen einer Tourismuswerbeproduktion entstanden sind, dazu gemischt. Superoriginell, oder?
Falco spielte diesen Song auf allen Konzerten, es war einer der Fixpunkte seines Live-Repertoires.
Das Lied wurde 2005 von Nina Hagen im Rahmen der Festwochen-Eröffnung live auf dem Wiener Rathausplatz gesungen, in einer wundervollen Mischung aus Berlinerisch und Wienerisch. Fünf Jahre später wurde der Song von der österreichischen Band Bunny Lake gecovert, in dieser Version werden sowohl deutsche als auch englische Textzeilen verwendet. Auch Hansi Lang (angeblich, wie erwähnt, ja der Co-Autor) sang diesen Song nach Falcos Tod, darüber hinaus existieren auch Coverversionen von Nino aus Wien und Ernst Molden. 2021 spielten Kruder&Dorfmeister auf dem Wiener Donauinselfest eine tolle elektronische Coverversion. Das Musikmagazin Musikexpress wählte den Song 2016 zum besten deutschsprachigen Drogensong.
Eine Fragezeichen steht hinter der Frage, wer diesen Song schlussendlich produziert hat: auf dem Album "Psychoterror" von Drahdiwaberl (auf dem die Nummer 1981 erstmals veröffentlicht wurde) wird Markus Spiegel als Produzent aufgeführt. Es ist jedoch glaubhafter, Peter J. Müller als Produzenten anzunehmen, obwohl dessen Tätigkeiten auf dem Cover der LP lediglich unter "Aufgenommen und abgemischt" angegeben sind. Auf Falcos Debutalbum Einzelhaft steht dann Robert Ponger als Mixer, obwohl der Song absolut ident mit der Drahdiwaberl-Version ist. Es ist aufgrund des chronologischen Ablaufs anzunehmen, dass Peter J. Müller 1980 Falcos Song sowohl aufgenommen, abgemischt und damit auch produziert hat und dann 1982 der Einfachheit halber Robert Ponger auch auf dieser Nummer angegeben wurde. Wohl weil ohnehin alle Beteiligten bei GIG Records unter Vertrag standen.
Text
Er geht auf der Strasse
Sagt nicht wohin
Das Hirn voll Heavy Metal
Und seine Leber ist hin
Seine Venen sind offen
Und es riecht nach Formalin
Das alles macht ihm keinen Kummer
Weil er ist in Wien
Ganz Wien
Ist heut' auf Heroin
Ganz Wien
Träumt mit Mozambin
Ganz Wien, Wien, Wien
Greift auch zu Kokain – überhaupt in der Ballsaison
Man sieht ganz Wien, Wien, Wien – ist so herrlich hin, hin, hin
Kokain und Kodein, Heroin und Mozambin
Machen uns hin, hin, hin, hin, hin
Eins, zwei, drei
Kokain und Kodein, Heroin und Mozambin
Machen uns hin, hin, hin, hin, hin
Einmal wird der Tag kommen
Die Donau ausser Rand und Band
Im U4 geig’n die Goldfisch
Der Bruno längst am sicheren Land
Der Hannes auch
Dann lernen wir schwimmen
Treib’n tun wir eh
Alle Teuferl weisses Gwandl an
Weiss wie Schnee
Kokain und Kodein, Heroin und Mozambin
Machen uns hin, hin, hin
Don’t you know?
Kokain und Kodein, Heroin und Mozambin
Machen uns hin, hin, hin
Ganz Wien
Da, da, da, da
Da, da, da, da
Da, da, da, da
Da, da, da, da
Ganz Wien
Text
Englische Version "That Scene"
You better watch out, boy
The scene is watchin' you
"Don’t play so hard on it, showbiz kid"
The voice is telling you
Make sure to check your tickets, right?
Do not stop me now
So you do realize out and in
The fugitive I’ve been
Between
These words will find that scene
In between
No movie hits the screen
That scene, scene, scene
This scene you’ve never seen
You realize that Wien, Wien, Wien
Bluest place I’ve ever been
Because
Mystery is mystery
Dust and blood don’t mix, you see?
I’m expecting you, they’re taking you, breaking you
Don’t you know?
Mystery is history
Time to use your fantasy
They’ll jack you up, up above
Look out!
Three, four
And if you’re really in doubt, boy
No blast, no need to be impressed
Move on, get your own life boat
The waves are rising fast
As fast as they can
Wake up
Get a real good ship
The rats already leave
See all the zombie boys dressed in white
And everyone’s his own thief
Because
Mystery is mystery
Dust and blood don’t mix, you see?
I’m expecting you, they’re taking you, breaking you
Don’t you know?
Mystery is history
Time to use your fantasy
They’ll jack you up, up above
That scene
Da, da, da, da
Da, da, da, da
Da, da, da, da
Da, da, da, da
See that scene
That scene
Vielen Dank an Stephen Fajen für die Hilfe beim Abhören der englischen Textbestandteile.
Meine Textfassung beruht, falls vorhanden, auf den Textbeilagen der offiziellen Veröffentlichungen (Booklet, Inlay, Cover etc.). Allerdings wurden alle Texte abgehört und nach dem gesungenen Wort korrigiert. Bei Songs, bei denen keine Textbeilagen verfügbar sind, basiert meine Fassung ausschließlich auf dem gesungenen Wort bzw. auch auf im Internet kursierenden Versionen. Textpassagen, die im Dialekt gesungen wurden, stehen in gemäßigter Transliteration. Rechtschreibfehler, sowohl deutsche als auch englische, wurden in eklatanten Fällen korrigiert. Die Rechtschreibung beruht teils auf der zur jeweiligen Zeit gültigen (Textbeilagen), teils auf der neuen Rechtschreibung (eigene Abhörungen). Auf Satzzeichen wurde im Allgemeinen verzichtet. Für Verbesserungsvorschläge bin ich dankbar.