Song
Laufzeit
7:32 Minuten
Album
Musik, Text und Produktion
Musik: Rob & Ferdi Bolland
Text: Falco, Rob & Ferdi Bolland
Produzent: Rob & Ferdi Bolland
Offiziell veröffentlichte Liveaufnahmen
- Berlin, Eissporthalle 7:42 (1986)
Über den Song
Der finale Song auf Falcos viertem Album Emotional ist einer der seltsamsten und ungewöhnlichsten, gleichzeitig ist er auch definitiv mit einer Laufzeit von 7:32 Minuten der längste. Zudem ist er auch einer der Falco-Nummern, die eine Art Tribute an eine Berühmtheit darstellen - zusammen mit Rock Me Amadeus sowie Kamikaze Cappa, später sollten sich noch Garbo, Tanja P. Nicht Cindy C. sowie die beiden Darwin-Songs, Genie Und Partisan (A Fascinating Man) und Metamorphic Rocks zu dieser Kategorie dazugesellen. Es ist anzunehmen, dass die Vorschläge für solche Hommage-Lieder von den Bollands gekommen sind, die hatten, auch auf ihren Soloplatten, immer schon eine Vorliebe für solche Tributes in musikalischer Form.
Auch musikalisch ist der Song recht eigen: er beginnt mit Zuggeräuschen, Falco räuspert sich und beginnt einen Dialog mit einem Fahrgast, danach setzt ein fiebriger Drumbeat und eine verspielte Synthesizermelodie ein. Dieser Rhythmus verändert sich dann, er erinnert stark an den Beat von „We Will Rock You“ der britischen Band Queen (und natürlich, die Bollands haben sich diesen Beat schon bei der „Salieri Version“ von Rock Me Amadeus ausgeliehen). Der Track ist recht ruhig, langsam, erst mit dem explosiv einsetzten Refrain nimmt er Fahrt auf. Danach hört man ein recht ruppig-hartes Gitarrenriff und Telefonklingeln und eine weibliche Stimme (die wohl Kathleen Turner darstellen soll). Falco spricht mit ihr und die Nummer geht weiter. Erst nach rund vier Minuten setzt Dramatik ein, wenn weibliche Stimmen „Hallelujah, he’s in love“ anstimmen. Danach wird der Schwung aber wieder rausgenommen und der Song neigt sich seinem Ende zu – glaubt man! Denn nach rund fünfeinhalb Minuten ändert sich die musikalische Stimmung, es wird düsterer, apokalyptischer und Falco zählt historische Schauplätze von Kriegen oder Katastrophen auf. Alles endet dann mit militärischem Getrommel und Falcos Schrei „Kathleen!“.
Textlich ist dies weniger ein Tribute-Song als eine Art Fiebertraum, eine finale Ohnmachtsphantasie und dem Wunsch, durch den Kuss der Schauspielerin Kathleen Turner (warum gerade sie als Protagonistin herhalten musste, weiß wohl auch niemand) aus diesem Alptraum, der Menschheitsgeschichte ist, erlöst zu werden. Kathleen Turner war zur Zeit der Entstehung des Songs eine sehr bekannte amerikanische Schauspielerin, sie spielte unter anderem in den Filmen "Romancing The Stone", "Prizzi's Honor" und "Peggy Sue Got Married" mit.
Der Song beginnt mit einem englischsprachigen Dialog zwischen Falco und einem Fahrgast im gleichen Abteil, schnell finden die beiden heraus, dass sie beide aus Wien stammen („Wo bist du her?! Wien, Innere Stadt, na Wahnsinn!“ Sie fahren anscheinend schon seit 1984 mit diesem Zug, eine klare Anspielung auf George Orwells Kultroman gleichen Namens (übrigens fand David Bowie das Thema auch interessant, er bemühte sich Mitte der 1970er Jahre um die Rechte des Romans um daraus ein Konzeptalbum zu machen. Da ihm das von den Rechteinhabern verweigert wurde, gibt es lediglich den Song „1984“ von ihm). Jeden Tag nimmt der Protagonist den 7:30 Uhr-Zug nach Brazil City, er scheint auch recht verbittert zu sein („…cause life doesn’t show any pity“). Danach wird er vom Fahrgast ob seiner negativen Einstellung zum Leben gerügt, er schlägt ihm vor, sich abzulenken und sich an der Schönheit von Kathleen Turner zu erfreuen („…you’re always nagging, bragging, complaining about yourself and putting things down in the world. Take a good look at Kathleen Turner, now there’s one heck of a girl“).
Daraufhin singt Falco von seinen Alpträumen („I’ve been to hell and back“), von der Tatsache, dass er sich nicht unterkriegen lässt (but I’m alright…“, „I can’t be stopped“) und vom Wunsch nach einem Kuss der Schauspielerin („I need the kiss of Kathleen Turner right now“). Danach telefoniert Falco mit Kathleen Turner, sie sehnt sich nach ihm. Gleich verfällt er aber schon in eine Art Wachtraum, er weiß nicht mehr, ob er das alles träumt oder wahr ist („Is it a dream or real? Is it really happening to me? Or is it just fantasy? Kathleen, can you hear me?“).
Der Traum entwickelt sich zu einem religiösen Wahn („Hallelujah, he’s in love, glory, glory“) und kurz danach kippt die Stimmung des Songs, Falco zählt zeitgeschichtliche Schauplätze von Kriegen und Katastrophen auf (Issos, die Katalaunischen Felder, Cannae, Mount Greek, Austerlitz, Waterloo, Verdun, Stalingrad, Hiroshima, Nagasaki, Harrisburg, Brokdorf, Zwentendorf, Cattenom, Wackersdorf, Tschernobyl). Neben der Tatsache, dass sich Falco hier auch eindeutig gegen die Atomkraft positioniert, fällt auf, dass es hier sowohl inhaltliche als auch musikalische Gemeinsamkeiten mit dem Song „Radioaktivität“ der deutschen Band Kraftwerk gibt. Auch diese zählt minutenlang Namen von Atomkraftwerken und Orten von Kernenergiekatastrophen auf. Im Song verbindet der Protagonist inzwischen den sexuell aufgeladenen Traum von Kathleen Turner mit diesen menschengemachten Katastrophen („Kathleen, you still hear me, baby? Kathleen, you know what I’m talking about? I’m not just talking about (…) the first kiss of my life, I’m talking about our planet“). Zu militärischem Trommelwirbel wacht Falco schlussendlich mit einem Schrei auf den Lippen („Kathleen!“) auf.
Es ist ein inhaltlich wirrer Song, die beiden Bedeutungsebenen (Falco hat erotische Tagträume von einer Hollywoodschauspielerin, Falco träumt von apokalyptischen Kriegs- und Katastrophenschauplätzen) gehen nicht wirklich zusammen, ergeben jedoch dennoch (oder gerade deswegen) eine interessante Mischung und erheben den Song über den Status einer reinen, langweiligen Hommage. Laut Falcos Manager Horst Bork, ist die Aufzählung am Ende ein „Zwangsimplantat“ Falcos, der ursprüngliche Song war von den Bollands anders geplant, es sollte einfach um einen Mann im einem Zug gehen, der von Kathleen Turner träumt. Falco schien das zu flach und harmlos zu sein und er baute textlich eine weitere Dimension ein. Allerdings verraten die Notizhefte Falcos, dass diese Aufzählung zunächst für einen anderen Song, nämlich Kamikaze Cappa, dem Tribut-Song an Robert Capa, geplant war. Da hätte die Liste thematisch auch besser hingepasst, aber nachträglich gesehen, muss man sagen, dass der Textteil hier besser aufgehoben ist als im Capa-Hommage-Song. In diesem fehlt er nicht, in Kathleen-Turner-Song macht er die Nummer eindeutig faszinierender.
Horst Bork behauptet in seinem Buch übrigens, dass der Text (bis auf die Auflistung der Kriegsschauplätze) von ihm stammt, das ist aber (wie auch bei Tango The Night oder Macho Macho) nicht wirklich überprüfbar. Er mag vielleicht bei dem einen oder anderen Wort oder Textbaustein geholfen haben, der Rest des Textes klingt aber mehr nach Falco (vor allem der Text am Anfang des Songs) und nach Input der Bollands.
Der Song wurde aufgrund seiner Eigenarten auch in der Presse wahrgenommen, das englische Musikmagazin „Q“ erkennt „a discussion about the future of the planet with an unknown commuter in Brazil“ und dem „Wiener“ fällt der „Brachialbeat á la Queens „We Will Rock You“/“We Are The Champions“ auf und interpretiert die Nummer als Geschichte über einen „Mann, der im Abteil sitzt und seit 1984 nach Brasilien fährt. Wenn er einschläft, kommt immer wieder derselbe Traum vom Telefonat mit Kathleen Turner und von den Kriegsschauplätzen der Weltgeschichte“.
Falco bezeichnete den Song einmal als eine „von Prince angehauchte Collage“, er ist sicherlich eines der ungewöhnlichsten und schrägsten Lieder, die Falco jemals aufgenommen hat und bleibt auch deswegen und wegen der seltsamen Verschränkung der beiden Interpretationsebenen im Gedächtnis.
Text
Ah, excuse me, sir
Could you maybe put down the newspaper just for a second?
No, it's not a big problem i wanna tell you
But, um, just two sentences or something?
Oh, yeah
Von wo bist du her?!
Wien, innere Stadt
Na, Wahnsinn!
Die Welt ist doch klein, nicht wahr?
Jetzt fahr'n wir seit 1984
Fahren wir schon in diesem Zug
Und wir haben uns noch nicht kennengelernt
Wenn ich mich erinnere an alte Zeiten und so
Ottakring, Neustift, Grinzing
So listen
Since 1984 I take the 7:30 a.m. train going into Brazil City
At this hour of the day
I'm not too well humored
'Cause life doesn't show any pity
(Oh, yeah, you're always nagging, bragging
Complaining about yourself
And putting things down in the world
Take a good look at Kathleen Turner
Now there's one heck of a girl)
I've been to hell and back
But I'm alright, Jack
Did everything that love wouldn't allow
I got my mind made up
You know I can't be stopped
I need the kiss of Kathleen Turner right now
I've been to hell and back
But I'm alright, Jack
Now I know what love is about
Under the seven moons
I made a solemn vow
I need the kiss of Kathleen Turner right now
I need the kiss of Kathleen Turner right now
Ey, Smack in the middle
Smack, smack
(Hello?)
Hello
(Oh hi, it's me)
Hey
(I know it's late
But I just had to call you
I'll be over real soon)
Kathleen, Kathleen
Is it a dream or is it real?
Is it really happening to me?
Or is it just fantasy?
In this world there is only one woman
Who can make my dreams come true
And that woman, Kathleen
It's you
I've been to hell and back
But I'm alright, Jack
Did everything that love wouldn't allow
I got my mind made up
You know I can't be stopped
I need the kiss of Kathleen Turner right now
I've been to hell and back
But I'm alright, Jack
Now I know what love is about
Under the seven moons
I made a solemn vow
I need the kiss of Kathleen Turner right now
I need the kiss of Kathleen Turner right now
Ey, Smack in the middle
Kathleen, you hear me?
Standing on the corner
Watching all the girls go by
(He wants a kiss)
Standing on the corner
Watching all the girls go by
(He wants a kiss)
I don't want a kiss, I want a lot of kisses
(He wants a kiss)
Listen, hey
(He wants a kiss)
(Hallelujah, he's in love
Hallelujah, glory, glory
Hallelujah, he's in love
Hallelujah, glory, glory
Hallelujah, he's in love
Hallelujah, glory, glory)
I think you're too shy
Just come on and give me the first kiss of my life, Kathleen
Issos
Die katalaunischen Felder
Cannae
The Mount Greek
Austerlitz
Waterloo
Verdun
Stalingrad
Hiroshima
Nagasaki
And Harrisburg
Brokdorf
Zwentendorf
Cattenom
Wackersdorf
Tschernobyl
Kathleen, you still hear me, babe?
Kathleen, you know what I'm talking about?
I'm just talking about
I'm just talking about
Not the first kiss of my life
I'm talking about our planet
Kathleen!
Meine Textfassung beruht, falls vorhanden, auf den Textbeilagen der offiziellen Veröffentlichungen (Booklet, Inlay, Cover etc.). Allerdings wurden alle Texte abgehört und nach dem gesungenen Wort korrigiert. Bei Songs, bei denen keine Textbeilagen verfügbar sind, basiert meine Fassung ausschließlich auf dem gesungenen Wort bzw. auch auf im Internet kursierenden Versionen. Textpassagen, die im Dialekt gesungen wurden, stehen in gemäßigter Transliteration. Rechtschreibfehler, sowohl deutsche als auch englische, wurden in eklatanten Fällen korrigiert. Die Rechtschreibung beruht teils auf der zur jeweiligen Zeit gültigen (Textbeilagen), teils auf der neuen Rechtschreibung (eigene Abhörungen). Auf Satzzeichen wurde im Allgemeinen verzichtet. Für Verbesserungsvorschläge bin ich dankbar.