Song

Bar Minor 7/11 (Jeanny Dry)

Laufzeit

3:45 Minuten

Album

Data De Groove [1990]

Musik, Text und Produktion

Musik: Robert Ponger
Text: Falco
Produzent: Robert Ponger

Über den Song

Auch dieser Song leidet ein bisschen unter dem seltsam zusammengestellten Tracklisting gegen Ende des Albums Data De Groove. Es befindet sich zwischen U.4.2.P.1. Club Dub und Anaconda `Mour. Diese Stellung verleiht der Nummer den Hauch eines ebenfalls ungewöhnlichen Experimentalstücks. Isoliert erscheint er gar nicht so auffallend anders als andere, musikalisch nicht ganz typische Falco-Songs (wie etwa Tango The Night, Crime Time oder die späteren Techno-Ausschweifungen), in der gewählten Positionierung hingegen erscheint er als skurril und verspielt.

Falcos zutiefst ironisch-sarkastischer Abschluss der Jeanny-Trilogie kommt dabei im musikalischen Latino-Bar-Gewand daher, es ist eine spanisch angehauchte Nummer im Samba-ähnlichen Sound, auch an einen Bossanova erinnert die Musik. Es klingt gewollt wie Barmusik, ein melancholischer Instrumentalteil läutet den Song ein, danach kommen Samba-Gitarren und ein lockerer karibischer Beat, schließlich intoniert ein Frauenchor „Baby, give it up“. Falcos Stimme hier ist keine Gesangsstimme, selbst Sprechgesang wäre übertrieben: es ist Falcos Sprechstimme, man hört ihn so wie er wohl auch im realen Leben in einem Nachtlokal gesprochen hat. Nach rund einer Minute kommt der Refrain, hier singt Falco erstmals, wenngleich seine Stimme sehr in den Hintergrund gemischt ist. Danach beginnt ein verträumtes Saxophon und Falcos Stimme setzt den Dialog mit den (weiblichen, aber unhörbaren) anderen Gästen in der Bar fort. Wie auch schon bei anderen Songs auf dem Album Data De Groove steht Falcos Stimme hier nicht im Vordergrund, an erster und prominenter Stelle steht die Musik, ihr ordnet sich alles, auch Falco unter. Man hat mitunter den Eindruck, Falco singe als Gastsänger auf einer Produktion von Robert Ponger.

Thematisch laufen ein paar Ebenen in diesem Song zusammen. Einerseits geht es (wie auch im Zusatztitel angedeutet) um den finalen Teil der Jeanny-Saga. Nach Jeanny und Coming Home (Jeanny Part 2, Ein Jahr Danach) stellt also dieser Song den letzten Teil dieser Geschichte rund um einen angeblichen Mädchenmord dar. Aufgrund der Unsicherheit die diesbezüglich vor allem in diversen Foren im Internet herrscht: Falco hat zu Lebzeiten genau drei Songs veröffentlicht, bei denen der Name „Jeanny“ im Titel vorkommt: Jeanny, Coming Home (Jeanny Part 2, Ein Jahr Danach) und eben diese Nummer. Alle anderen Songs, die sich dieses Etikett umhängen möchten, sind mehr oder weniger vermarktete Sample-Songs (Where Are You Now?) oder aber Songs, die erst nach Falcos Tod von geschickten Werbemanagern diesen Titel als Verkaufsargument umgehängt bekommen haben (The Spirit Never Dies).

Falco geht mit diesem Jeanny-Thema sehr boshaft und gehässig um, es scheint, als ob er mit dieser mittlerweile anscheinend für ihn peinlichen Song-Geschichte endgültig Schluss machen wollte, indem er den letzten Teil absichtlich in einen unkommerziellen Sound gestalten ließ und zugleich so ätzend mit dem Thema umgeht, dass wohl jedem klar sein muss, dass Falco 1990 diese Geschichte nicht mehr ernsthaft weiterführen wollte: „Sag, wer hat dir eigentlich gesagt, dass du Jeanny heißt, ha? Das ist ganz sicher der Chef meiner Plattenfirma gewesen. Naja, ich versteh ihn schon. Sag, ist er ein guter Gast?“). Ganz offen spricht Falco den Umstand an, dass er den Eindruck hatte, dass die Plattenindustrie nach wie vor von ihm Erwartbares, Kommerzielles, Immer-Wieder-Gleiches fordert. Im typischen Falco-Stil verpackt er seine Antwort in einen Song, der klar macht, dass sowas von ihm (zumindest auf dieser Platte) nicht zu erwarten ist. In seinen Textbüchern findet man übrigens folgende nicht verwendeten Textzeilen bzw. Textkonzepte: „Jeanny lebt nicht – sie war ein Junkie on smack“, „Alles Asche“, „Nicht bös‘ sein“. Es scheint, als hätte Falco ursprünglich noch wesentlich radikalere Songideen überlegt.

Neben diesem offensichtlichen Thema geht es hier aber auch um persönliche Eindrücke und Erlebnisse Falcos: sein gesamter Beitrag auf diesem Song ist gesprochen, Falco klingt wie er wohl auch wirklich in Nachtlokalen mit Frauen geredet hat und genau um diesen Anmach-Flirt-Sprüche geht es: „Baby, entschuldige, tanzen? Ganz selten und wenn dann ungern“, „Was, du gehst schon? Was, jetzt schon?", „Sag hast du die gesehen? Sag, seid ihr Schwestern? Schaut dir total ähnlich, ist witzig, geh?“. Falco ist hier eindeutig auf der Jagd, er sitzt in einem wohl einschlägigen Establishment und versucht, mit seinem Charme Frauen zu betören. Auch auf seinen Promi-Status geht Falco ein, wenn er meint „Ich hab soeben gemacht eine Eintragung ins Gästebuch, Erstversuch“. Auch zu erwähnen ist, dass Falco seine damalige Freundin in einem ebensolchen Rotlichtlokal kennengelernt hat. Die Presse berichtete damals davon, dass sie dort Bardame in einem Luxusbordell war und verkaufte diese Geschichten unter dem Titel „Falcos Pretty Woman“. Der Song hat also auch einen persönlichen Bezug.

In diesem Song (wie in vielen anderen auf dem Album Data De Groove, wie zum Beispiel Charisma Kommando, Tanja P. Nicht Cindy C., Alles Im Liegen und Anaconda `Mour) geht es um Sex und um erotische Zweideutigkeiten. So finden sich im Titel die Worte „Bar“ und „Minor“, also dürfte es um eine minderjährige Bardame gehen.

Das ebenfalls im Titel befindliche „7/11“ kann auf mehrere Arten gelesen werden: So wird damit einerseits ein Drinkspiel bezeichnet (reihum werden zwei Würfel geworfen, derjenige der eine Sieben oder eine Elf würfelt, bestimmt einen Mitspieler, der ein hochprozentiges Getränk am Tisch leeren muss). Ice Cube („Shake em, rollin‘ with a couple of homies, watch me break them with a seven-eleven“) und auch Beyonce („I’m thinking about that alcohol, man. It feels like rolling dice, seven-eleven“) besingen dieses populäre Trinkspiel in ihren Songs.

Andererseits steht diese Bezeichnung im amerikanischen Slang auch für eine Frau, die rund um die Uhr die Beine geöffnet hat, es ist also eine nicht sehr freundliche Bezeichnung. Der Begriff der dauernden Verfügbarkeit leitet sich dabei von der amerikanischen Supermarktkette 7-Eleven ab, diese war das erste Einzelhandelsunternehmen in den USA, das seine Öffnungszeiten auf 24 Stunden am Tag ausweitete. Diese sexistische Bezeichnung wird in der englischsprachigen Popkultur häufig verwendet, so singt die Mädchen-Band Salt N Pepper beispielsweise 1993 in ihrem Song „What A Man“ Folgendes: „He always has me open like a seven-eleven“. Hier wird dieser an sich frauenfeindliche Begriff durch die Verwendungsumstände zwar zu einer Art Female Empowerment, aber sehr wohlwollend oder positiv ist diese Phrase wohl dennoch nicht. Falco thematisiert ja hier nichts anderes als eine sich hinter der Bar eines Nachtlokals befindliche Minderjährige, die allzeit bereit und willig zu sein scheint (oder berufsbedingt sein muss).

Man kann also davon ausgehen, dass es in Falcos Song um die Beschreibung einer Nacht geht, in der der Protagonist in einem Nachtclub mit minderjährigen Bardamen flirtet („Es ist alles klar, wie es immer war, du wieder hinter und ich vor der Bar“) und dabei lustige Trinkspiele veranstaltet werden und/oder es auch sexuell ungehemmt und vielleicht auch illegal zugeht („Minor seven-eleven“). Und wenn Falco schon dabei ist, trifft er dann natürlich auch noch Jeanny und verstrickt sie in launische Gespräche über die unersättliche und kommerzorientierte Plattenindustrie.

Und natürlich kann man den in Klammern gesetzten Zusatztitel "(Jeanny Dry") als einen weiteren ironischen und durchaus launigen phonetische Scherz Falcos lesen: das englische Wort "dry" kann man mit "trocken", aber auch mit "barsch", "kühl" und auch "sarkastisch" übersetzten - alles Eigenschaften, die die Dame hinter der Bar natürlich inne haben kann (wobei die erste, prominenteste Übersetzungsmöglichkeit natürlich wieder eine starke sexuelle Konnotation besitzt). Gleichzeitig wird „dry“ phonetisch fast ident mit der deutschen Zahl 3 ausgesprochen, Falco hängt also auch der Information, dass es sich hier um den dritten Teil der Jeanny-Saga handelt, eine selbstironische Bedeutung um.

Als man Charisma Kommando als zweite Single aus dem Album auskoppelte, ergab sich dann eine schöne Ironie des Schicksals: in Österreich wurde dieser Song auf die B-Seite gegeben und dies auf dem Frontcover prominent angegeben. Man erwartete sich wohl ein größeres Interesse an der 7“-Single mit diesem Titel auf der Rückseite, es ist allerdings gleichermaßen lustig wie tragisch, dass ein Song, der von Falco bewusst als Ablehnung dieser ihm mittlerweile unangenehmen Jeanny-Story umgesetzt wurde, dann erst recht wieder für kommerzielle Absichten herhalten musste.

Der Song ist für Falco-Fans insofern interessant, weil er die Jeanny-Saga zu einem witzigen und unumkehrbaren Ende bringt. Dass er dies in einem ungewöhnlichen und nicht Charts-tauglichen musikalischen Format macht, zeugt von der Absicht Falcos, diese Nummer als rein subversiven Schlusspunkt zu setzen – niemand sollte auf die Idee kommen, diesen bitterbösen Abgesang (mit Verweisen auf Sex mit Minderjährigen und hochprozentigen Trinkspielchen) als Single auskoppeln zu wollen. Es ist ein würdiges Ende einer Fortsetzungsgeschichte die schon bei Coming Home (Jeanny Part 2, Ein Jahr Danach) erzwungen wirkte und bei der Falco doch recht eindeutig den Forderungen des Marktes nach einer Fortsetzung nachgab. Bereits 1988 gab Falco in einem Interview zu erkennen, dass er kein Interesse mehr an weiteren Teilen der Geschichte habe: „In erster Linie wäre eine (…) Fortsetzung ja ein volkswirtschaftlicher Aspekt für die Plattenfirma gewesen“. Zwei Jahre später, als Falco auch an anderen Fronten für klare Linien sorgte (künstlerische Neuausrichtung, Scheidung, Trennung von Bolland&Bolland, Weltreise, Selbstläuterungsprozess), schloss er auch mit diesem, für ihn schon seit langem uninteressanten Thema ab und lieferte einen finalen Teil, der zynischer und ironischer nicht hätte sein können.

Text

Give it up
Baby, don't you give it
Won't you
Give it up

Wirklich?

Give it up
Baby, don't you give it
Won't you
Give it up

Geh schau
Ich hab soeben gemacht
Eine Eintragung
Eintragung ins Gästebuch
Erstversuch
Eintragung ins Gästebuch
Erstversuch

Baby, entschuldige
Tanzen?
Ganz selten
Und wenn dann ungern

To the bar
To the bar
To the bar
To the
To the bar
To the bar
To the bar
To the bar

Es ist alles klar wie's immer war
Du wieder hinter
Und ich vor der Bar
Minor seven eleven

Pardon
Na, aber
Aber nie im Leben

Aber geh
Das, das kann nie sein
Aber nie im Leben
Was?
Du gehst?
Was, jetzt schon?

Sag
Sag hast du die gesehen?
Schau mal, schau mal, schau mal, schau
Sag, seid ihr Schwestern?
Schau
Schaut dir total ähnlich?
Ist witzig, geh?

Sag, wer
Wer hat dir eigentlich gesagt, dass du Jeanny heißt, ha?
Das war
Das ist ganz sicher der Chef meiner Plattenfirma gewesen
Naja, ich versteh ich schon
Sag, ist er ein guter Gast?

Give it up
Baby, don't you give it
Won't you
Give it up

To the bar
To the bar
To the bar
To the
To the bar
To the bar
To the bar
To the bar

To the bar
To the bar
To the bar
To the
To the bar
To the bar
To the bar
To the bar

Es ist alles klar wie's immer war
Du wieder hinter
Und ich vor der Bar
Minor seven eleven

Meine Textfassung beruht, falls vorhanden, auf den Textbeilagen der offiziellen Veröffentlichungen (Booklet, Inlay, Cover etc.). Allerdings wurden alle Texte abgehört und nach dem gesungenen Wort korrigiert. Bei Songs, bei denen keine Textbeilagen verfügbar sind, basiert meine Fassung ausschließlich auf dem gesungenen Wort bzw. auch auf im Internet kursierenden Versionen. Textpassagen, die im Dialekt gesungen wurden, stehen in gemäßigter Transliteration. Rechtschreibfehler, sowohl deutsche als auch englische, wurden in eklatanten Fällen korrigiert. Die Rechtschreibung beruht teils auf der zur jeweiligen Zeit gültigen (Textbeilagen), teils auf der neuen Rechtschreibung (eigene Abhörungen). Auf Satzzeichen wurde im Allgemeinen verzichtet. Für Verbesserungsvorschläge bin ich dankbar.