Laufzeit

5:04 Minuten

Album

Data De Groove [1990]

Musik, Text und Produktion

Musik: Robert Ponger
Text: Falco
Produzent: Robert Ponger

Über den Song

Diese sehr ruhig vor sich hin groovende Nummer gehört sicherlich zu den besten Songs auf dem Album Data De Groove und hat auch bei vielen Falco-Fans einen besonderen Platz in seinem Oeuvre. Die Musik ist langsam und funky und betont cool-zurückgelehnt. Beginnend mit einem tiefen Basston, gibt der Drumcomputer das Tempo vor, eine schwebende Synthesizer-Melodie und eine schwingende Gitarrenmelodie setzen ein bevor Falcos tiefer Sprechgesang beginnt. Langsam schmiegt sich der dunkle und dennoch lebhafte Sound durch die Nummer, es herrscht eine ruhige und irgendwie traurige Stimmung vor. Der Refrain ist nicht knallig, sondern kurz und in das Lied eingebettet, später hat Falco mit Nachtflug einen ähnlichen Song aufgenommen, dieser erreicht jedoch nicht die Tiefe und Emotionalität dieser Nummer (die Phrase „Puls am Bauch“ kommt übrigens sowohl hier als auch im Song von 1992 vor). In der Mitte setzt ein Klaviersolo ein, danach wiederholt sich der Refrain bis zum Ende des über fünf Minuten langen Stücks, keine Sekunde ist dabei meiner Meinung nach zu lange, es ist sicherlich der Höhepunkt des Albums Data De Groove.

Thematisch geht es, wie so oft bei Falco zu dieser Zeit, um die Monarchie (auch die Lieder Poison, Expocityvision und Monarchy Now handeln davon). Dabei ist auch hier der Text nicht leicht zu entschlüsseln, Falco singt von einer Kaiserin, diese „zeigt ihr Knie wie nie“ und „außer der Krone trägt sie nichts“. Es scheint ein Song über die sexuellen und hedonistischen Ausschweifungen der Adeligen zu sein, über die Exzesse und Orgien am kaiserlichen Hofe, dabei schwingt immer auch ein bisschen Dekadenz mit (ein Thema, das Falco später auch noch in der Nummer Titanic besingen wird). In der zweiten Strophe geht es, wie auch in Charisma Kommando, wohl um ein bisschen härtere sexuelle Praktiken („Die Zeremonienmeisterin klärt dich auf“, „Ihre Hände messen dann dem Mann, unter Bandagen, das Low-Light-Psychoprogramm“). Auch der Refrain deutet Sex nicht gerade subtil an („Die Positionen bleiben streng verschwiegen, Alles im Liegen“).

Das Thema der lustvollen adeligen Damen beschäftigte Falco übrigens auch weiterhin: Jahre später singt er über Die Königin Von Eschnapur, diese „trägt zumeist nur die Armbanduhr“. Auch die „Kaiserin von Kasachstan“ wird in dieser Nummer aus dem Jahr 1995 thematisiert, diese „behält zumeist nur die Krone an“.

Gleichzeitig scheint Falco aber auch auf allgemeingültige Befindlichkeiten und Machtspiele zwischen Männern und Frauen einzugehen („Wird ihre Hand deinem Herzen siegen? Und was sie hergibt, wird dir wann verziehen? Verlebt vom Leben hat’s auch alles schon gegeben. Vom Lieben, was ist geblieben?“), der Grundtenor spiegelt dabei eine depressiv-nostalgisch-frustrierte Einstellung wider. Auch die damals aktuelle politische Situation scheint die Nummer zu behandeln: die Berliner Mauer ist erst wenige Monate vorher gefallen und Falco singt von „Alt-Wien“ und „Neu-Berlin, Groß-Berlin“.

Die Phrase „Alles im Liegen“ scheint laut einem Interview mit Falcos Freund, dem Poeten Ide Hintze, bei einem Gespräch der beiden entstanden zu sein. So richtig verstehbar ist diese Formulierung nicht, vielleicht könnte man es aber mit einem Ausdruck einer grundlegenden Einstellung erklären: Ich assoziiere damit ein Lebensgefühl, das alles in einer relaxten, gelassenen und lässigen Art und Weise erledigt, es beschreibt ein Klima, in dem Stress, Anspannung und Verkrampftheit keinen Platz haben – ein Lebensgefühl also, das durchaus als typisch Wienerisch beschrieben werden kann. Für eine solche Interpretation spricht, dass diese Nummer (wie auch Charisma Kommando) von Falco als sehr wienerisches Stück angesehen wurde.

In Falcos Textbüchern findet man zu diesem Stück eine alternative Zeile: „Es groovt sich ein die Monarchie, die Kaiserin ist tot, sie lebt wie nie“. Auch dieser Gedanke (die Wiederauferstehung der untergegangenen Donaumonarchie) findet sich später auch in einem anderen Song, Monarchy Now.

Anno 1990 fand der Musikexpress, dass der Song „cool groovt und dennoch funky“ ist. Nicht ganz so positiv sieht das das Musikmagazin Melodie&Rhythmus: „Falco – friss oder stirb? Die einen bezeichnen (diesen Song) als zeitgenössische deutsche Sprachschöpfung, die anderen als ausgesprochen gepflegten Schwachsinn. Beide Extreme fasst Falco als Kompliment auf“.

Falcos Song über sexuell aktive Kaiserinnen, über genusssüchtige Maßlosigkeit und Zügellosigkeit des Adels und ihrer Entourage ist eine meiner Lieblingsnummern von Falco. Die Musik ist cool und entspannt, Falcos Stimme schwebt über die Melodie und auch die dekadente Thematik ist interessant. Es ist eine traurig-resignative Nummer, sowohl vom Sound als auch vom Text her. Sowohl das Älterwerden („Ein Spiegel verbricht’s“, „Verlebt vom Leben“, „Was ist geblieben?“, „Übergeblieben“) als auch der ewige Kreislauf aus dem der Menschen niemals ausbrechen kann („Alles beim Alten“, „…hat’s auch alles schon gegeben“) wird thematisiert. Von Falco als mögliche Singleauskopplung genannt, fristet diese Nummer ein Dornröschendasein, sie ist nicht wirklich bekannt und erst 2017 schaffte sie es zum ersten Mal auf eine Falco-Best-Of-Kompilation. Nichtsdestotrotz bleibt dieser Song ein faszinierend resignatives Werk mit einer kathartischen Wirkung.