Sampling Album
Sterben Um Zu Leben
Mai 2018
Sony Music Entertainment Germany GmbH
Charts: #18 GER
- Zuviel Hitze (mit Kontra K) 3:14
- Der Kommissar (mit Sido) 3:09
- Rock Me Amadeus (mit Sun Diego) 3:09
- Vienna Calling (Celo & Abdi feat. Niqo Nuevo) 3:55
- No Time For Revolution (mit Haze) 2:49
- Macho Macho (mit Jugglerz feat. Rio) 3:46
- Junge Roemer (mit Zugezogen Maskulin) 3:57
- Jeanny (mit Ali As) 3:55
- Emotional (mit 3 Plusss) 2:38
- Die Königin Von Eschnapur (Zwischen Zeit Und Raum) (mit Nazar) 2:41
- Tricks (mit Omik K) 3:06
- Auf Der Flucht (mit Frauenarzt) 3:04
Single-Auskoppelungen
- Jeanny (mit Ali As)
- Vienna Calling (mit Celo & Abdi feat. Niqo Nuevo)
- Rock Me Amadeus (mit Sun Diego)
- No Time For Revolution (mit Haze)
Über das Album
2017, zu Falcos 60. Geburtstag wurde über den Künstler medial sehr umfangreich berichtet. Gleichzeitig gab es eine Reihe neuer Veröffentlichungen, wie etwa das Best-Of-Album Falco60, das JNG RMR-Remix-Projekt der Red Bull Music Academy und der erstmalige Vinyl-Release des Donauinsel-Konzerts von 1993. Gleichzeitig trat Falcos ehemalige Band beim Donauinselfest auf und performte Falcos Songs in virtuellen Duetten mit Gastsängern, dieses Tribute-Konzert wurde ein Jahr später auf den Markt gebracht. Da all diese Falco-Produkte erfolgreich in den Charts reüssierten, kam Sony Music Germany auf die Idee, zu Falcos 20. Todestag 2018 auch an diesem Kuchen mitnaschen zu wollen. Und so ersann man ein Projekt, bei dem man angesagte Deutschrap-Künstler beauftragte, Tribute-Cover-Songs von Falcos Hit zu produzieren. Der Gedanke war, dass diese Musiker Falcos Stimme in diese neuen Versionen integrieren und gleichzeitig die Songs musikalisch neu einkleiden sollten. Es ist somit mehr oder weniger die gleiche Idee wie die Tribute-Konzerte der Falco-Band, während man dort Falcos Stimme vom Donauinsel-Konzert von 1993 verwendete, wurde hier die Tonspuren von Falcos Stimme von den Mastertapes der Studioalben benutzt. Vielleicht war auch der Kollaborations-Song des österreichischen Rappers Nazar, der bereits 2014 eine Falco-Nummer (Die Königin Von Eschnapur) in einen von ihm neugeschriebenen Song einbaute, die Inspirationsquelle für dieses Album.
Sony beschreibt diese erzwungenen Kollaborationen im Rahmen dieses Albums in der Presseaussendung folgendermaßen: „Falco hat den deutschen Rap erfunden. Lange bevor hierzulande gerappt wurde, nahm er mit seiner provokanten Art, seinem Faible für harte Drogen und exzessive Partys und dem Boykott durch den Mainstream einer ganzen Generation von Deutschrappern ihren Ruf voraus. 20 Jahre nach seinem Tod erscheint (…) Falcos erstes Kollabo-Album, das ihn zum ersten Mal mit seinen Kollegen aus dem Jetzt zusammenbringt. Hochkaräter des heutigen deutschen Rap haben Falcos Songs jetzt nicht nur neu aufgenommen, sondern mit ihrer Energie und ihrem Sound auf ihre ganz eigene Art ins Jetzt überführt. Neben Falco selbst, dessen unnachahmliche Stimme bei den Songs nicht fehlen darf, unterscheidet genau dieser Ansatz das Album von einem Tribute-Album. (Es) ist ein Kollabo-Album. Es führt Falcos Genialität mit der gesamten Deutschrap-Generation zusammen und trifft so den Zeitgeist des Jahres 2018. Vor allem sorgt das Album für mächtig Gesprächsstoff. Eine Reaktion, die Falco sicherlich gefallen hätte, hatte der Österreicher doch Zeit seines Lebens Freude am Eklat. Aber auch die Neubearbeitungen der Falco-Klassiker polarisieren. Jeder der zwölf Songs zeigt: (Dies) ist kein Coveralbum. Pop-Künstler hätten die Texte von Falco vermutlich einfach übernommen und nachgesungen aber jeder der Rapper dieser Produktion hat sich einen Falco-Song zu eigen gemacht. Es hat sich etwas komplett Neues entwickelt – ein Album, das Falcos kompromissloses Lebenswerk 20 Jahre nach seinem Tod nun topaktuell fortführt“.
Klar zeigen sich in diesem Text bereits einige Probleme dieser Veröffentlichung: So hat sich Falco Zeit seines Lebens nie als Rapper gesehen, er verwendete lediglich diesen rhythmischen Sprechgesang in vielen seiner Popsongs. Auch die zwanghaft hergestellte Verbindung zwischen Falco und den heutigen Deutschrappern über die Themen Provokation, Drogen, Zensur und Exzess wirkt an den Haaren herbeigezogen. Schlussendlich ist auch die Begrifflichkeit von Kollabo-Songs vielfach übertrieben, in den meisten Deutschrap-Versionen kommt Falco sowohl stimmlich als auch musikalisch meist nur am Rand vor, zudem wirkt der Einbau seiner Stimme sowie die Thematik der Neuvertonungen fast immer erzwungen und unpassend.
Für die Kollaborationen wurden mehr oder weniger prominente Vertreter des Deutschraps verpflichtet. So produzierten etwa Kontra K, Sido, Sun Diego, Haze, Nazar, Omik K, Frauenarzt und andere Künstler aus der Deutschrap-Szene unter Verwendung von Falcos Stimme neue Versionen seiner Songs. Das Repertoire setzte sich dabei hauptsächlich aus Nummern zusammen, von denen die Original-Masterbänder verwendet werden konnten, zu Liedern von den ersten beiden Alben wurden entweder Samples (Zuviel Hitze, Auf Der Flucht, Junge Roemer) oder Neueinspielungen von 1991 (Der Kommissar) gemischt. Auf einige von Falcos großen Hits wurde verzichtet (Coming Home (Jeanny Part 2, Ein Jahr Danach), The Sound Of Musik, Wiener Blut, Titanic, Out Of The Dark, Egoist), dafür wurden stattdessen oft Albumnummern verwendet (Tricks, No Time For Revolution) oder auf erst posthum veröffentlichte Nummern zurückgegriffen (Die Königin Von Eschnapur – hier ist anzumerken, dass der österreichische Rapper Nazar bereits 2014 Falcos Stimme für diesen Kollaborations-Songs verwendet hat, auf dem Album wurde dieses Lied, das unter „Zwischen Zeit Und Raum“ veröffentlicht wurde, lediglich in einer neuen Remix-Version angeboten).
Der Sound der Kollaborationsnummern unterscheidet sich dabei von Künstler zu Künstler, je nach Song wurde auch in unterschiedlichem Ausmaß Falcos Stimme beziehungsweise musikalische Elemente aus den Originalen eingebaut. Das führt dazu, dass die meisten Songs musikalisch wenig mit Falco zu tun haben, oft wurde eine völlig neue Vertonung ohne jegliche Referenz an die Originalmusik produziert. Einige Songs verwenden zudem auch Falcos Stimme gar nicht oder nur in einzelnen Worten.
Veröffentlicht wurde das Album im Mai 2018 durch Sony Music Germany in den Formaten CD, Vinyl und auch in einer Deluxe-Box inklusive einer zweiten CD, auf der die Instrumental-Versionen der Deutschrap-Versionen enthalten waren. Zudem war eine weitere CD mit den Falco-Original-Songs enthalten. Auch ein T-Shirt und ein Magnet-Pin waren dieser Edition beigelegt.
Aus dem Album wurden insgesamt vier Singles ausgekoppelt: Jeanny mit Ali As, Vienna Calling mit Celo & Abdi featuring Niqo Nuevo, No Time For Revolution mit Haze sowie Rock Me Amadeus mit Sun Diego. Lediglich die letzte Kollaboration-Version konnte sich in den Charts platzieren, sie erreichte #63 in Österreich und #71 in Deutschland. Alle diese Singles wurden lediglich digital veröffentlicht.
Auch das Album war nicht wirklich erfolgreich, in Österreich gelangte es lediglich auf #12 der Charts, in Deutschland stagnierte es auf #18, in der Schweiz auf #51.
Die Covergestaltung kommt ohne ein Photo von Falco aus, auf der Vorderseite sieht man einen Falken in Großaufnahme, darüber in goldener Schrift den Künstlernamen, in Weiß darübergelegt steht der Albumtitel. Das gesamte Cover ist in dunkelrot gestaltet. Auf der Rückseite werden die Songtitel aufgeführt, daneben sieht man nochmals den Schriftzug des Künstler- und des Albumnamens. Im Booklet sieht man einen Falken im vollen Flug, dazwischen wieder den Namen des Künstlers sowie den Titel des Albums. Auf der Mittelseite des Booklets sieht man Falco im Tuxedo, das Sujet ist mit Farbspritzern durchsetzt. Auf den restlichen Seiten sind weiß auf Rot die Credits der einzelnen Songs angegeben. Ob es eine Vorgabe der Falco-Rechteinhaber war, dass auf diesem Kollaboration-Album Falco lediglich versteckt im Booklet auf einem Photo vorkommt, ist unklar. Es kann auch sein, dass die Plattenfirma für einen solchen Release auf eine derartige Gestaltung bestanden hat. Grundsätzlich ist die Gestaltung aber durchaus gelungen, das Dunkelrot verleiht dem Cover einen edlen Anstrich.
Die Presse und auch viele Falco-Weggefährten zerrissen das Album bei der Veröffentlichung in der Luft. So sprach etwa Horst Bork, Falcos langjähriger Manager von „friendly fire: Im Mai 2018 kam im Rahmen der Feierlichkeiten zu Falcos 20. Todestag ein (Kollaborationen-Album) auf den Markt, das war wohl als Hommage an einen der nachhaltigsten Interpreten der deutschen Popmusik gedacht, endet aber als Schuss in den Ofen. Ich war sprachlos, wurde von vielen Seiten um einen Kommentar zu diesem Machwerk gebeten, aber ich konnte und wollte zu diesem Stück musikalischer Umweltverschmutzung nichts sagen. Mir hatte es schlichtweg die Sprache verschlagen. Nicht nur bei mir machte sich Sprachlosigkeit breit und als dieses dann blankem Entsetzen wicht, waren die negativen Geräusche auf die Veröffentlichung heftiger als die spärlichen Beifallskundgebungen. Anders gesagt: Da hat man eine im Ansatz gute Idee mit viel Getöse und Vollgas an die Wand gefahren. Dem toten Künstler keinen Gefallen getan, ja in eine Ecke gestellt, in der er nie sein wollte. Was als Tribute-Album gedacht war, kam als dümmliche Realsatire auf den Markt. Hier vereinen sich Dilettantismus, Respekt- und Ahnungslosigkeit zu einer grausamen Melange. Unter dem Vorwand, den Rapper Falco zu würdigen, hört man zwölf Titel lang Schwachsinn vom Feinsten. Der Tonträger ist im günstigsten Fall Realsatire, eine Bestandsaufnahme der deutschen Rap-Szene. Es ist ein epochales Armutszeugnis, ein Manifest des Unvermögens. Vielleicht war es ja der Hintergedanke bei Sony Music, neue Zielgruppen zu erschließen, auf Falco aufmerksam zu machen. Was immer der Grund war, diese Hommage ist mit einem dreifachen Hurra grandios gescheitert. Ein inzwischen immer wiederkehrender Denkfehler ist die Zuordnung (von Falco) in die Kategorie Rap“. Abschließend zitiert Bork den Philosophen Peter Sloterdijk: „Alles passiert mit selbstverständlicher Unverschämtheit und unverschämter Selbstverständlichkeit“.
Auch Markus Spiegel, Chef von Falcos erster Plattenfirma Gig Records stößt ins gleiche kritische Horn: „Um zu beurteilen, wie zwölf der angesagtesten Rapper aus Deutschland sich mit Falcos Werk beschäftigen, muss man kein Spezialist des Genres sein, vielmehr reicht der gesunde Menschenverstand. Die an und für sich spannende Idee, die Multitracks, soweit vorhanden, Deutschrappern zur Verfügung zu stellen, ist aber auch klar durchschaubar und stammt aus dem Marketing-Lehrbuch für posthume Vermarktung. Das Ergebnis ist erschreckend banal. Die derzeitigen Hitparadenstürmer verstehen Falco nicht, versuchen es kaum. Wie denn auch? Falcos Stil, Eleganz und Poetik ist eben nicht vereinbar mit dem „Sprech“ Berliner Straßen und Hinterhöfe. Die Herren erweisen Falco ihre Reverenz. Dieser erfreuliche Anlass wurde aber nicht als künstlerische Herausforderung angesehen. Vielmehr dokumentieren sie in ihren phrasenreichen Texten hauptsächlich und variantenreich ihre eigene Befindlichkeit. Die adäquaten, modernen Sounds mögen Spezialisten und Fans beurteilen, aber in den Songs dominieren hörbar billige Synthesizer und übliche Auto-Tune-Effekte. Gangster-Rap hat es schon in Zeiten Falcos in den USA gegeben, eingegangen ist er darauf nicht und hat es nie als Stilmittel verwendet. Und heute hätte er es auch nicht getan, obwohl der Deutsch-Rap derzeit die vorderen Ränge der Charts belegt und natürlich Jugendkultur ist. Das Ergebnis dieses Projekts ist ein Fall zum Fremdschämen. In diesem Zusammenhang ist auch die Tätigkeit der Falco Privatstiftung, der Verwalterin der Urheberrechte, zu hinterfragen“.
Die Presse war nicht viel liebvoller – so schrieb der Musikexpress: „Muss ich denn sterben, um zu leben? Falcos Frage hat sich zum Imperativ gewandelt. Jetzt massakrieren ihn Deutschrapper. Der oft hintergründige Schmäh des Wieners passt zum eher vordergründigen Straßenrap aus Berlin, Essen oder Frankfurt wie die Faust aufs Auge. Gut, für den Gangster mag sie dorthin gehören, die Faust. Aber es ist schade um die Eleganz des Ausgangsmaterials, das hier zweifelhafte Umdeutung erfährt. Das wirkt alles wie ein großes Missverständnis“. Auch der Falter ist nicht angetan: „Falco und der Hip-Hop, das ist ein mittelschweres Missverständnis. Weder hat Falco den deutschsprachigen Rap erfunden, noch war er Rapper. Sondern ein Styler, der Sprechgesang in seinem ureigenen Stil integrierte. Für (das Album) haben sich Deutschrapper an Falcos Oeuvre abgearbeitet, bis die Musik irgendwie nach Hip-Hop von heute klang. Ja, eh“.
Auch online, wo diese Art von Musik hauptsächlich besprochen wird, überwiegt die Kritik. Es wird von einer posthumen „Falco-Vernichtung via Deutschrap“ gesprochen, und Zusammenhänge mit ähnlich gescheiterten aufgezwungenen Kollaboration-Projekten von Michael Jackson und The Notorious B.I.G. hergestellt. Das Album wird als „großes Ärgernis“ und als „furchtbar schlechte, falsche Idee ohne Mehrwert“ beschrieben. Die Webseite The Top Tens schreibt: „The project is a chaotic and unfocused mess with several songs that feel as if the rappers grabbed a bunch of outtakes of their regular albums and cut Falco vocals and/or references in between, or rather violently jammed them in. It’s an extremely unpleasant listen, whether as a tribute or as a German hip hop album”. Ulrich Berggötz stellt die Frage nach dem künstlerischen Wert und meint, „dass (der Eindruck entsteht), dass größtenteils einfach nur der Titel übernommen und dann mit den üblichen Phrasen ausgefüllt wurde. Einige Songs wurden so weit verändert, dass das Original kaum mehr erkennbar ist. Die besten Passagen bleiben die, in denen Falco selbst zu hören ist. Von der Idee her kann man das Album ein innovatives Projekt nennen. Die Umsetzung erscheint allerdings lieblos und wenig reflektiert, die meisten Titel sind 08/15-Raptracks. Ein skrupelloser Versuch der Geldmacherei“.
Dominik Lippe von laut.de schreibt unter dem Titel „Der Deutschrap verfehlt das Klassenziel“ folgende Kritik: „Ohne jedes Gespür für die jeweiligen Vorlagen presst die Mehrzahl der Akteure diese in ihr etabliertes, rohes Konzept (von Grobschlächtigkeit, schiefen Gesang, blubberndem Minimalismus und seelenlosem Autotune-Brei). Die eigentlich schöne Idee, sich gemeinschaftlich hinter der Leitfigur zu versammeln, endet mit der Verfehlung des Klassenziels. Der offenkundige Klassenunterschied zu Falco erweist sich einfach als zu groß“.
Auf noisey schreibt Linus Volkmann: „Der deutschsprachige Rap-Betrieb hat nun namhafte Protagonisten an den grellen Falco-Kadaver gezerrt. Warum auch nicht. Eine Hommage aus der hiesigen Hip-Hop-Ecke ist keinesfalls abwegig. Das Projekt scheitert allerdings dennoch – und nicht zu knapp. Draußen eine rauchen gehen können als erster alle, die sich der Platte von der Falco-Seite genähert haben. Die Versionen wissen ihm außer ein paar ergoogelter Textzeilen und draufgesetzter Samples absolut nichts hinzuzufügen. Vielmehr trifft (das Album) dagegen eine Aussage über deutschen Rap 2018, die meisten Stücke klingen fast schon wie Realsatire. Mehr Fremdscham geht irgendwie nur noch, wenn sich jemand in der Öffentlichkeit einnässt. So ratlos wie die Protagonisten dieser Platte muss man erst mal sein. Einiges ist dabei so bescheuert, dass man sich in die dunkle Zeit Anfang der Nuller zurückversetzt sieht, als deutscher Hip-Hop nach einem unglaublichen Boom erstmal wieder komplett in sich zusammenkrachte. Manche Songs wirken wie ein Reaction-Video auf YouTube. Irgendjemand labbert über bekannte Snippets seinen Scheiß drüber. Weniger Falco war selten – wer allerdings skill- und ratlose Torschlusspanik liebt, wird bei diesem Album üppig bedient“.
Lediglich Robert Ponger, Falcos ehemaliger Produzent, findet lobende Worte, diese wirken jedoch so aufgesetzt, als hätte er das Album nie gehört: „Jeder Rapper dieser Produktion hat sich einen Falco-Song zu eigen gemacht, with great spirit and special lyrics. Es hat sich etwas komplett Neues entwickelt, ein Album, das Falcos kompromissloses Lebenswerk 20 Jahre nach seinem Tod nun topaktuell fortführt“. Die Mitteldeutsche Zeitung findet das Projekt „überzeugend, (es ist) ein vielfältiges Album, das unweigerlich Höhen und Tiefen hat. Unterm Strich ist das Experiment gelungen – auch weil es zeigt, wie prägend und zeitlos Falcos Rap tatsächlich war“.
Und in der Tat überwiegen auf dem Album die schlechten Songs eindeutig die gelungenen. Während manche Künstler zumindest versuchen, auf das Thema von Falcos Originalnummer einzugehen (Kontra K in Zuviel Hitze, Haze in No Time For Revolution, Zugezogen Maskulin in Junge Roemer, Ali As in Jeanny), setzt die Mehrzahl der Deutschrapper auf Eigenpropaganda und Stories in ihren Liedern, die rein gar nichts mit Falco und dem ursprünglichen Betreff zu tun haben. Einige Songs beinhalten nicht einmal Falcos Stimme (Celo & Abdis Version von Vienna Calling, Omik K. in Tricks, Frauenarzt bei Auf Der Flucht, 3Pluss bei Emotional). Bei den meisten Nummern dominieren Autotune und Billig-Synthies, die Textqualität reicht von „bemüht“ bis „furchtbar“ – vor allem Sidos Der Kommissar, die Version von Auf Der Flucht von Frauenarzt und das unnötig gewaltverherrlichende Jeanny von Ali As fallen hier ungut auf.
Zusammenfassend muss man sagen, dass nach einer Reihe hochwertiger Falco-Veröffentlichungen 2017 und 2018 dieser Release wirklich voll in die Hose gegangen ist. Auf diesem Kollaborationsalbum covern zwölf Deutschrapper Falco-Songs – wobei diese Kollaborationen natürlich nur so zustande kommen, dass bei diesen Tributes lediglich krampfhaft und meistens unpassend an manchen Stellen Falcos Stimme dazu gesampelt wurde.
Die Idee hinter diesem Album war wohl hauptsächlich die Absicht, Falcos Musik auch jüngeren Leuten nahe zu bringen. Marketingstrategisch also vielleicht nicht mal so blöd, schließlich ist der typische Falco-Fan ja doch wohl wesentlich älter als Leute, die sich für Deutschrap interessieren. Man kann diese Veröffentlichung also sehen als Versuch, die Marke Falco auch anderen Hörerschichten zu öffnen und so Falcos Musik am Leben zu erhalten.
Dennoch funktioniert bei diesem Album wenig: viele dieser Songs klingen, als wären die Künstler nicht wirklich an einer Kollaboration bzw. an einem kreativen Zugang zu diesen Mash-Up-Covers interessiert. Nur einige wenige Songs nutzen die thematischen Textvorgaben der Falco-Songs um daraus was Eigenes, Neues zu machen. Es wirkt, als hätte auch ein wenig die Zeit gefehlt: viele Versionen klingen, als seien Sie unter Druck entstanden beziehungsweise als hätten die Deutschrapper auf die Schnelle musikalische Reste aus ihrem Fundus für dieses Projekt verwendet. Auch die kurze Laufzeit des Albums (durchschnittlich ist jeder der zwölf Song lediglich rund drei Minuten lang) deutet auf eine solche kreative Armut hin,
Die meisten Künstler sind so in ihrer Pseudo-Ghetto/Gangsta-Blase gefangen (die böse Bezeichnung „Hartz IV-Assi-Rap-Fraktion“ trifft es ganz gut), dass ihnen nichts Besseres einfällt, als meist ohne Zusammenhang ihre typischen 08/15-Texte über den meist auch musikalisch wenig mit dem Original zu tun habenden Song drüber zu nuscheln. Da stand bei den meisten dieser Rapper wohl der kommerzielle Aspekt weit vor dem künstlerischen (und manchen Rappern fehlt wohl einfach auch das Talent und das Können, aus dem Original etwas auch nur ansatzweise Interessantes zu machen). Zu sehr steht das Streben im Vordergrund, sich selbst zu präsentieren, die eigene Befindlichkeit und Selbstdarstellung in den Mittelpunkt zu rücken. Oft gibt es keinen oder nur wenig thematischen Bezug zu Falcos Originalen, auf den meisten Songs wirkt dieser erzwungen und oberflächlich, auch musikalisch werden Falcos Hit lediglich in homöopathischen Dosen zitiert.
Es klingt zudem seltsam, Falcos oft sehr geschliffenen, ironisch-sarkastischen, originellen Texte in Verbindung mit den echt schwer verdaulichen und extrem flachen und dumpfen Deutschrap-Lyrics zu hören. Warum Sachen wie „Mutterficker“, „Bitch“ oder „Finger im Hintern“, „Ich ficke deine Mutter“, „Pornhub“ etc. in Falco-Tribute-Songs vorkommen müssen, erschließt sich beim besten Willen nicht… Und der Dauereinsatz der Audiosoftware Autotune nervt bei vielen dieser Tribute-Kollaborationen dann halt auch nicht zu wenig.
Die Idee, mit Kollaborationen dieser Art eine Verbindung von Falco zum Rap und zum populären Musikstil Deutschrap herzustellen, gelang somit weder in künstlerischer noch in kommerzieller Hinsicht. Es wäre wesentlich interessanter (und wohl auch erfolgreicher) gewesen, hätte man 2018 nicht eine solch niveaulose Idee vorangetrieben, sondern stattdessen die im Rahmen der JNG RMR-Projekts entstandenen zeitgemäßen Remix-Versionen von Falcos Hits auf Tonträger veröffentlicht. Diese teilweise wirklich gut gelungenen Neuabmischungen hätte man auf CD und/oder auch auf Vinyl auf den Markt bringen und so eine wesentlich authentischere und qualitativ höherstehende Albumidee umsetzen können. Alternativ wäre wohl auch ein solches Tribute-Album unter anderen Vorzeichen besser gelungen: nicht, dass diese Idee (Falcos Stimme im Duett mit anderen Künstlern und mit neu geschriebener, an die Originale angelehnte Musik zu mischen) zwangsläufig bessere Ergebnisse erbracht hätte, wenn man statt Deutschrapper andere Musiker, die näher an Falcos Welt dran sind (Fantastische Vier, Fettes Brot, Bilderbuch etc.) angefragt hätte – aber es wäre wohl eine authentischere und künstlerisch wertvollere Idee gewesen. Die Deutschrap-Kollaborationen stehen letztlich für nicht mehr als ein völlig missverstandenes Vorhaben, Falcos Musik in einem neuen, modernen Zusammenhang zu präsentieren. Es bleibt ein Album, das sich zwischen alle Stühle setzt und wohl niemand zufriedenstellt.
Beteiligte
Ausführende Produzenten: Patrick Thiede, Dirk Hachmann
Konzept: Thorsten Tutzeck
Artwork: Ben Baumgarten
Song 1: neuer Text bei Kontra K, produziert von Pascal Kalli Reinhardt
Song 2: neuer Text von Sido, produziert von Jan Van Der Toorn & Digital Drama
Song 3: neuer Text von Sun Diego, produziert von Jan Van Der Toorn & Digital Drama
Song 4: neuer Text von Celo & Abdi & Niqo Nuevo, produziert von Phil Ratley
Song 5: neuer Text von Haze, produzuert von Enaka & Dannemann
Song 6: neuer Text von Rio, produziert von Jugglerz und Rio
Song 7: neuer Text von Zugezogen Maskulin, produziert von Tom Schley & Markus Ganter
Song 8: neuer Text von Ali As, produziert von Jan Van Der Toorn & Digital Drama
Song 9: neuer Text von 3Plusss, produziert von Peet
Song 10: neuer Text von Nazar, produziert von beatzarre & Djorkaeff (2014), Remix von JMP
Song 11: neuer Text von Omik K., produziert von Phatal Beatz
Song 12: neuer Text von Frauenarzt, produziert von JF Reckless