Kompiliertes Album

The Spirit Never Dies

Dezember 2009
Warner Music Group Germany
Charts: #1 AUT, #3 GER, #33 SUI

Über das Album

Fast zwölf Jahre nach Falcos Tod, im Dezember 2009, wurde ein zweites kompiliertes Album auf den Markt gebracht (die erste solche Zusammenstellung von Songs, die Falco zu Lebzeiten aufgenommen, aber nicht veröffentlicht hat, Verdammt Wir Leben Noch, wurde bereits zehn Jahre zuvor veröffentlicht). Und mehr noch als dieses erste Kompilationsalbum steht bei diesem Warner-Release der respektlose und geringschätzende Umgang mit Falco und seinem Werk im Fokus. Auf dem Longplayer wurden Nummern aus vier Schaffensperioden verwendet.

Die Mehrzahl der Songs, insgesamt fünf,  stammt aus den Sessions von 1987, bei der Falco mit Gunter Mende und Candy Derouge Titel für das geplante Album „Aya“ produziert hat. Zwei dieser erst nach Falcos Tod veröffentlichten Lieder (Poison, Què Pasa Hombre) waren bereits seit 1999 bekannt, diese Titel befanden sich auf dem ersten Kompilationsalbum Verdammt Wir Leben Noch. Drei weitere zu Lebzeiten nicht verwendete Titel aus dieser Zusammenarbeit (Nuevo Africano, The Spirit Never Dies und Kissing In The Kremlin) wurden hier erstmals veröffentlicht.

Vier Nummern sind extra für die Veröffentlichung dieses Albums 2009 produziert wurden, es handelt sich dabei einerseits um zwei von Gunter Mende und Peter Ries neu komponierte Instrumentalstücke (Forever, Return To Forever), andererseits um zwei Sample-Songs (Sweet Symphony und Dada Love), für die Mike Wolff die Musik und Gunter Mende und Horst Bork (laut den Angaben im Booklet) den Text geschrieben haben. Die zwei Instrumental-Titel sowie die zwei Sample-Lieder haben wenig mit Falco zu tun und offenbaren auf augenscheinlichste Weise den problematischen Umgang mit posthumen Veröffentlichungen.

Zwei Stücke wurden von anderen Alben übernommen. Die Aufnahme in diese Kompilation-LP wurde dabei mit einer (höchstwahrscheinlich vorgeschobenen) Verbindung zur Jeanny-Saga begründet: So wurde ja beim Erscheinen des Kompilationalbums 2009 einer der neuen Songs von 1987, The Spirit Never Dies, als unveröffentlichter dritter Teil vermarket. Diese Zuschreibung ist zwar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht korrekt, es ermöglichte jedoch, sowohl den ersten Teil (Jeanny aus der LP Falco 3 von 1985) als auch den zweiten Teil (Coming Home (Jeanny Part 2, Ein Jahr Danach) von 1986 vom Longplayer Emotional) mit auf das Album zu nehmen und dadurch sowohl die Anzahl der Songs auf dem Album als auch dessen Laufzeit zu erhöhen.

Schlussendlich wurde auch ein Remix von The Spirit Never Dies ins Tracklisting übernommen. Auch hier liegen die Gründe vorrangig darin, mehr Inhalt auf der Platte zu haben. Diesen Trick verwendete 1999 bereits das erste kompilierte Werk Verdammt Wir Leben Noch, dort wurden sogar zwei Remixes inkludiert.

Kommerziell war das Album sehr erfolgreich, ist platzierte sich wesentlich höher in den Charts als die erste Kompilation-LP Verdammt Wir Leben Noch zehn Jahre vorher. Dieser größere Erfolg steht dabei, meiner Meinung nach, im starken Kontrast zum Inhalt dieser Veröffentlichungen: bot die 1999-Veröffentlichung insgesamt sechs Songs, die bis dahin unbekannt waren (Poison, Què Pasa Hombre von 1987, Verdammt Wir Leben Noch, Die Königin Von Eschnapur und Europa von 1985 und, wenngleich auch hier von einem zumindest teilweisen Sample-Song auszugehen ist, Krise von 1997), so fanden sich beim 2009-Release lediglich drei ungehörte Tracks auf dem Album (Nuevo Africano, The Spirit Never Dies und Kissing In The Kremlin). Auch wurde beim zweiten kompilierten Album erheblich unsensibler und respektloser mit Falcos musikalischem Erbe umgegangen. Der größere Erfolg in den Charts (das Werk gelangt bis auf #1 in Österreich, #3 in Deutschland und #33 in der Schweiz) dürfte einerseits von der guten Marketing-Story, mit der das Produkt beworben wurde (Wasserschaden, Verbindung zur Jeanny-Saga), andererseits auch mit dem gesteigerten Kult-Status von Falco und der erhöhten Nachfrage nach neuen Falco-Veröffentlichungen zu dieser Zeit zusammenhängen. Auch das Erscheinen von Horst Borks Falco-Biographie, in der er prominent – sowohl im Buch selbst als auch bei den zahlreichen Promotionauftritten zur Bewerbung – auf diese Album-Veröffentlichung hinwies, dürfte das Seine zum großen Interesse beigetragen haben.

Der Titeltrack wurde als erste Single ausgekoppelt und gelangte in Österreich bis in die Top 3 der Charts. Als zweite Auskopplung wurde dann 2010 der Titel Kissing In The Kremlin veröffentlicht. Zu beiden Songs wurden Videos produziert.

Das Album erschien ausschließlich im CD-Format. Wie das gesamte Machwerk zeichnet sich auch das Cover durch eine extreme Lieblosigkeit aus: Dieses ziert ein mit dem billigsten Photoshop-Filter bearbeitetes Photo Falcos (gemacht von Curt Themessel), darüber prangt in Übergröße der Künstlername und der Albumtitel. Um das Ganze noch billiger erscheinen zu lassen, steht am unteren Rand des Frontcovers der Satz „8 new songs & Jeanny trilogy“. Abgesehen von der inkorrekten Anzahl an neuen Falco-Songs ist auch der Zusammenhang mit der Jeanny-Saga nicht wirklich glaubhaft und dürfte ausschließlich aus marketingtechnischen Gründen konstruiert worden sein. Das Backcover informiert lediglich über die Tracks, im Booklet selbst kommt nochmals ein Photo von Curt Themessel zum Einsatz, hier wurde eine Aufnahme Falcos aus den Nachtflug-Sessions digital mit einem Filtereffekt versehen, auch das wirkt extrem billig und lieblos. Das Booklet selbst enthält keine Lyrics, stattdessen wurde ein Text von Peter Lanz, der 1986 eine autorisierte Falco-Biographie geschrieben hatte (die er nach Falcos Tod in mehreren Neuauflagen wiederveröffentlicht hat), verwendet. Dieser Text strotz nur so vor Übertreibungen, Superlativen und Halbwahrheiten. So schreibt Lanz davon, dass die Veröffentlichung dieses Albums zur Folge hat, „dass nun Teile der jüngsten Pophistorie neu geschrieben werden müssen“ und dass Gunter Mende „beim Sichten der alten Materialien Brillanten gefunden“ habe. Er sieht „Schätze, deren späterer pophistorischer Wert noch gar nicht abschätzbar ist“ und „Juwelen, aus der Blütezeit des Wiener Rappers“. Lanz ortet ein „Exzerpt aus (Falcos) großer schöpferischer Zeit“ und wittert gar eine „Schicksalhaftigkeit“. Es ist genau diese völlig überzogene Tonart in der Werbung und die allgemeine Kommunikation rund um dieses Album, das es unter Fans zum Paradebeispiel werden hat lassen, wie man mit Falcos musikalischem Nachlass eben nicht umgehen sollte.

Wenn man bedenkt, dass bereits zehn Jahre zuvor das erste kompilierte Album erschienen ist (Verdammt Wir Leben Noch) und der damalige Produzent Thomas Rabitsch davon gesprochen hat, dass er „das Material sichten und jene Songs auswählen“ musste, von denen er „der Ansicht war, dass man sie guten Gewissens veröffentlichen kann“, dann muss davon ausgegangen werden, dass bereits damals, 1999, alle fünf aus den 1987-Sessions mit Gunter Mende und Candy Derouge stammenden, Titel vorhanden waren. Wahrscheinlich fielen genau die drei oben erwähnten Nummern (die dann erst 2009 veröffentlicht wurden) Rabitschs Qualitätsansprüchen zum Opfer und blieben zunächst in den Archiven. Als dann 2009 Falcos Ex-Manager Horst Bork seine Falco-Biographie schrieb, und dabei der Gedanke aufkam, dass man doch auch diese drei Lieder veröffentlichen könnte, stand man wahrscheinlich vor folgendem Problem: Mit drei Songs kann man wenig anfangen – für einen Album-Release ist es zu wenig Material und ein alternatives Veröffentlichungsformat (wie zum Beispiel eine EP-CD oder in digitaler Form) ist schlecht vermarkt- und verkaufbar. Mit dem Einfall, diese drei authentischen Songs doch mit ein paar neu produzierten Instrumentalstücken und mit Sample-Songs als Album zu verkaufen, dürfte eine Geschäftsidee geboren worden sein, die rundum wohl Begeisterung bei allen Beteiligten auslöste. Als man dann auch noch darauf verfiel, den Song The Spirit Never Dies als dritten Teil der Jeanny-Saga auszugeben und das Ganze mit einer mehr als fadenscheinigen Wasserschaden-Wiederentdeckungsgeschichte garnierte, hatte man schließlich eine durchaus kommerziell erfolgsversprechende Vermarktungsperspektive. Das diese mit einem hohen Preis, nämlich des völligen Ignorierens von künstlerischen, glaubwürdigen und pietätsvollen Argumenten bezahlt wurde, scheint im Angesicht des Ertragspotentials keinen wirklich gestört haben.

Und so wurde ein Marketingkonzept erstellt, das für die Medien gut brauchbare Stories lieferte und so viel Werbeeffekt auslöste: Einerseits die höchstwahrscheinlich konstruierte und tatsächlich nicht vorhandene Verbindung eines Songs (The Spirit Never Dies) zur Jeanny-Saga, andererseits eine spannend-schicksalhafte Geschichte rund um das Auffinden der Masterbänder von 1987. Wie erwähnt, sämtliche Songs und Bänder dürften bereits 1999 bei der Veröffentlichung von Verdammt Wir Leben Noch vorhanden gewesen sein – aber natürlich macht es wenig Sinn den Medien und Fans zu erzählen, warum drei Nummern, die zu Lebzeiten Falcos und auch für das erste Kompilationsalbum als zu schlecht erachtet wurden, nun die Popsensation des Jahres sein sollen. Also wurde ein (wenig glaubhafte) Geschichte zur Veröffentlichung erzählt: nämlich, dass zufällig aufgrund eines Wasserschadens in Gunter Mendes altem Studio die bis dahin verschollen geglaubten Masterbänder von 1987 wieder aufgetaucht sind. Es kann schon sein, dass im Zuge dieses Wasserschadens Bänder mit den Aufnahmen von damals gefunden wurden (und diese dann in der Tat in London in einer Spezialfirma in einem Inkubator erhitzt und aufgebacken wurden, um sie noch ein paar Mal abspielen und digitalisieren zu können) – es erscheint aber sehr unwahrscheinlich, dass Warner (die ja die Rechte von Teldec übernommen haben) und vielleicht auch Horst Bork und Gunter Mende bereits vorher im Besitzt der Aufnahmen waren. Es sei hier auch nochmals darauf verwiesen, dass Thomas Rabitsch 1999 doch recht eindeutig von diesen Masterbändern von 1987 gesprochen hat und von der Tatsache, dass er nicht alle Songs aus diesen Sessions für Verdammt Wir Leben Noch verwendet hat.

Aber selbst wenn die Geschichte mit den durch einen Wasserschaden wiedergefunden Mastertapes stimmen sollte: der Rest des Albums zeugt von einer noch weitaus respektloseren Vorgehensweise im Rahmen der Produktion. So gibt Mende in einem Interview und auch im Booklet zur CD zu, dass das Intro (Return To Forver) und das Outro (Forever) 2009 neu von ihm und Peter Ries komponiert worden sind. Diese beiden Instrumentals haben also schon mal rein gar nichts mit Falco zu tun. Des weiteren gibt es auf dem Album zwei Songs, die von Mike Wolff komponiert wurden und bei denen laut den Credits im Booklet Horst Bork und Gunter Mende die Texte geschrieben haben sollen, es sind dies die Titel Sweet Symphony und Dada Love. Bei beiden Liedern handelt es sich um Sample-Songs, auch hier ist also wenig Falco-Bezug vorhanden. Während man bei Sweet Symphony eine neue Melodie komponiert und dazu dann Falco-Text-Elemente aus den Stücken Walls Of Silence, Poison, The Spirit Never Dies und Qué Pasa Hombre dazu gemischt hat, wurde beim Song Dada Love wahrscheinlich Textelemente einer anderen Nummer, nämlich Krise (das 1999 auf Verdammt Wir Leben Noch enthalten war), zu neuer Musik gemischt.

Diese Nummern, die nun wirklich gar nichts Authentisches an sich haben und die einen wirklich ebenso respektlosen wie unauthentischen Umgang mit dem Künstler darstellen, wurden dann ohne Kennzeichnung neben die fünf Falco-Songs von 1987 gestellt (von denen zwei bereits veröffentlich waren) um den Eindruck eines neuen Albums mit unbekannten Titeln zu erwecken. Um die (höchstwahrscheinlich nicht vorhandene) Verbindung des Titeltracks zur Jeanny-Saga herzustellen, wurden dann noch die Songs Jeanny und Coming Home (Jeanny Part 2, Ein Jahr Danach) mit auf das Album genommen. Und natürlich passt der Name dieses Titels auch wunderbar zu einer Veröffentlichung eines Künstlers, der nicht mehr am Leben ist.

Wenn man also erwartet hatte, dass durch die Mitwirkung von Horst Bork, der für viele Jahre Falcos Manager und auch Freund war, und Gunter Mende, der 1987 die Originalaufnahmen mit Falco aufgenommen hatte, ein würdevoller, behutsamer und authentischer Release garantiert sei, dann wurde man bei der Veröffentlichung also schmerzhaft enttäuscht. Produziert wurde das Album von Gunter Mende, die beiden Instrumentalstücke von Gunter Mende und Peter Ries. Beide Produzenten fahren bei allen Nummern den Bombast-Regler weit hinauf, eine wahrscheinlich schon im Original (man höre sich die Mende/Derouge-Titel auf Wiener Blut an) verkitscht-schlagerhafte Produktion wurde 2009 dann nochmals tief in Schwulst und Pathos getaucht. Auch den bereits 1999 veröffentlichten Songs, die damals von Thomas Rabitsch adaptiert wurden, wurde ein mitunter deutlich anders klingendes Soundgewand umgehängt. Der Vorsatz von Gunter Mende, den er beim Release in einem Interview kundtat („Wichtig war es mir die Authentizität, das Ursprüngliche des Falco-Materials beizubehalten. Wir wollten nicht Falcos Arbeit neu erfinden, sondern den Fans ein rundes, authentisches Produkt abliefern. Auch wenn der eine oder andere Song heute so klingt, als wäre er eben erst produziert worden – das hat Falco bereits 1987 eingespielt“) ist nicht wirklich nachvollzieh- oder hörbar.

Durch die Auswahl des Materials des Albums, bei dem Hits von 1985 und 1986 neben ursprünglich verworfenen Aufnahmen von 1987 und neben 2009 neu produzierten Instrumental- und Sample-Songs stehen, entsteht natürlich ein sehr unrundes Klangbild, noch viel mehr als bei Verdammt Wir Leben Noch entsteht hier der Eindruck eines bunt zusammengewürfelten Sammelsuriums.

Und wenn man als Fan bereits 1999 auf Verdammt Wir Leben Noch bei Sample-Songs wie We Live For The Night, From The North To The South und Fascinating Man eine ungute Gänsehaut bekommen hatte, dann wurde einem bei dieser Veröffentlichung noch deutlich übler. Vor allem der Song Sweet Symphony ist bis heute die unerreichte Spitze bezüglich eines unangemessenen Umgangs mit Falcos musikalischem Erbe. Es ist schwer verständlich, wie die Beteiligten einen derart leicht zu durchschauenden Sample-Songs mit auch nur halbwegs gutem Gewissen gegenüber Falco (und auch seinen Fans) verantworten konnten. Auch die Vermarktungsidee dieser kompilierten Songs als Album, als Einheit, die Falco so gewünscht hat, macht schlechte Laune, denn natürlich war dies nie der Fall. Offen bleibt zudem, ob Warner als veröffentlichende Plattenfirma von diesen Tricksereien Bescheid wusste. Bei der Eindeutigkeit (vor allem bei Sweet Symphony und auch den neu dazu komponierten Titeln Forever, Return To Forever und Dada Love) ist anzunehmen, dass man von der zweifelhaften Güte dieses Materials sehr wohl informiert war.

Bereits bei der Veröffentlichung wurden Stimmen laut, die die Authentizität des Longplayers kritisierten. Um eine schlechte Stimmung in den Medien und bei den Fans zu vermeiden, sah sich Gunter Mende genötigt, eine eidesstattliche Erklärung abzugeben: „Ich, Gunter Mende, erkläre an Eides statt, dass ich das Album produziert habe. Ich bestätige, dass den Gesangspart Falco 1987 in meiner Anwesenheit eingesungen hat, dass es ausschließlich seine Stimme ist, die auf dem Album zu hören ist und dass kein anderer Sänger nachträglich Songs oder Teile der Songs unter dem Namen Falco für diese Veröffentlichung beigesteuert hat. Das gilt nicht für die Chöre und die zweiten Stimmen)“. Bei diesen Formulierungen fällt auf, dass Mende geschickt das Thema umschifft, ob einzelne Songs (Sweet Symphony zum Beispiel) Sample-Songs sind. Er spricht nur davon, dass „Falco den Gesangspart“ in seiner Anwesenheit eingesungen hat und dass „es ausschließlich (Falcos) Stimme ist, die auf dem Album zu hören ist“. All diese Aussagen Mendes sind nicht falsch – schließlich stammen alle Samples von Sweet Symphony aus Songs aus den 1987-Aufnahmen, aber man merkt hier die Vorsichtigkeit des Produzenten bei seinen Aussagen und Formulierungen. Interessant ist vielmehr, was Mende in seiner eidesstattlichen Erklärung vage formuliert und auf was er dezidiert nicht eingeht.

In Interviews 2009 wendet sich Mende auch vielfach gegen die Vorwürfe, Songmaterial manipuliert zu haben: „Der liebe Gott und ich wissen, dass ich die Wahrheit sage, ich schlafe gut, denn mein Gewissen ist rein. Wir haben ein Intro und ein Outro dazu komponiert und qualitativ unbrauchbare Keyboardspuren ausgetauscht sowie ein paar Chöre hinzugefügt. Aber zu 95% ist alles belassen wie damals. Mir zu unterstellen, dies des Geldes wegen zu tun, ist pietätsloser Mist. Ich brauche kein Geld. Ich habe die historische Verpflichtung, dieses Material der Welt zugänglich zu machen, ob es gemocht wird oder nicht, muss jeder selbst entscheiden. Dass jemand Geld verdient, ist ja klar. Da sind sie wieder, diese schrecklichen deutschen Qualitäten – Misstrauen und Neid. Von wegen Leichenfledderei! Ich fühle mich verpflichtet, Falcos Lieder öffentlich zu machen“. Dabei ist interessant, dass Mende einerseits davon spricht, dass 95% des Materials so belassen wurde, wie es 1987 aufgenommen wurde, in einem anderen Gespräch mit der Presse aber meint, dass die Tonbändern drei Wochen lang in einem Spezialofen in London aufgearbeitet werden und „von neunzehn Falco-Tonbändern nur fünf wirklich brauchbar“ waren.

In einem Interview mit dem Magazin News lehnt sich auch Horst Bork weit aus dem Fenster: „Es sind wunderschöne Aufnahmen, die bestimmt ein Erfolg werden. Es handelt sich nicht um zusammengestückelte Fragmente, sondern wirklich um fix und fertig eingesungene Titel, die Hans und mir damals gut gefallen haben, nur der Plattenfirma nicht“. Wie auch immer, rund um diese Album-Veröffentlichung und auch die Produktion von einigen Songs und auch der Entdeckungsgeschichte und um den Jeanny-Zusammenhang bleiben einige große Fragezeichen nicht nur hinsichtlich der Authentizität bestehen.

In der Neuauflage seiner Falco-Biographie schreibt Horst Bork übrigens auch von einem rechtlichen Nachspiel: so reichte die Falco-Privatstiftung und Maria Hölzel gegen Horst Bork, Gunter Mende und den Buch-Verlag nach der Veröffentlichung dieses Albums eine Klage auf Unterlassung, Beseitigung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung nach dem Urhebergesetzt ein, der Streitwert belief sich auf 72.000 Euro. Bork hatte nämlich in seinem Buch behauptet, dass er der tatsächliche Autor vieler Falco-Texte sei (darunter bei Songs wie The Spirit Never Dies, Kissing In The Kremlin und Nuevo Africano, aber auch von Songs aus 1985 und 1986). Laut Bork ging die Auseinandersetzung durch alle Instanzen und endete 2016 mit einem Freispruch, sämtliche Klagen wurden vom Obersten Gerichtshof der Republik Österreich abgewiesen. Auf welchen Argumenten dieses Urteil basiert wäre dabei interessant, so müssten doch beispielsweise die textlichen Bestandteile des Sample-Songs Sweet Symphony leicht und beweisbar auf andere Nummern zurückzuführen sein.

Die Presse nahm dieses zweite Kompilation-Album schlecht auf. Das Magazin Profil schreibt: „Die (…) zu einem neuen Album kompilierten Songs tun dem Verstorbenen nichts Gutes. Das Album, das eine Hand voll unveröffentlichter Aufnahmen von 1987 birgt, verspricht deutlich mehr als es halten kann. Wenn der Geist, der auf diesem Tonträger herrscht, tatsächlich unsterblich ist, dann ist eine gewisse Panik wohl am Platz. Untote machen Angst. Wie die einst aus gutem Grund verworfene Aufnahmen leider eindrucksvoll belegen, wies die Musik des Jungrömers von einst bereits 1987 akute Alterungsspuren auf. Die Falco-Neuveröffentlichungen zeugen daher vor allem von einer umfassenden Substanzarmut“.

Auch der Kurier reagiert verschnupft auf diese Art der Nachlassverwaltung: „Der Wasserschaden geht um. Das „neue“ Falco-Album ist ein Desaster. Ehrlich gewesen wäre: „Wir hatten wieder einmal Lust, obszön viel Geld mit dem Verkauf von absolutem Mist zu machen“. So was sagt aber niemand. Stattdessen werden in raunendem Ton wolkige Legenden verbreitet, vom Wasserschaden, durch welchen verschollene Bänder ans Licht gespült wurden. 1987 befand sich Falco ersten im Dauerrausch und zweitens nach Emotional im Karriereknick. Da kamen Falco und sein Manager auf die aberwitzige Idee, Falco noch weiter Richtung Banalpop zu schieben – und engagierten das Produzentenduo Gunter Mende und Candy Derouge. Das Ergebnis entsetzte die Plattenfirma, Songs wurden in den Giftschrank verräumt, nur wenige schafften es auf das Album Wiener Blut. Wenn es im Begleittext des Albums heißt, durch dieses Album müssten „Teile der jüngeren Pophistorie neu geschrieben werden“, so stimmt das zum Glück nicht. Dass auch Falco seine matten Momente hatte, wussten wir nämlich schon. Und gegen Wasserschäden sind wir versichert“.

Das Libro-Magazin sieht „zusammengestoppelte Reste aus den Falco-Archiven. Aus 1987 nicht verwendeten Stücken hat man nun ein weiteres „letztes“ Falco-Album zusammengebastelt. Zwei davon sind nicht mal unveröffentlicht, Qué Pasa Hombre und Poison gab es schon auf Verdammt Wir Leben Noch. Zu Lebzeiten des Sängers hätte sich diese Platte kaum jemand freiwillig angehört. Von welchem Spirit ist hier die Rede? Kann wohl nur der Geschäftssinn sein. Rührend die Story, die man sich um den Fund der alten Bänder in einem überschwemmten Keller ausgedacht hat. Weniger rührend ist die Musik. Das Album ist um den gleichnamigen Song aufgebaut, den Falco angeblich als Finale der Jeanny-Trilogie im Auge gehabt haben soll. Bezüge zum Original und zum zweiten Teil lassen sich in dem Stück jedoch kaum ausmachen. Das Tempo ist ähnlich, das war’s aber auch schon. (Beim Hören des Albums) bleibt lediglich Falcos Stimme im Ohr, die selbst in Songs minderer Qualität für Momente so eindringlich klingen kann, dass es einem kurz einen Stich versetzt. Ganz unterkriegen lässt sich Falcos Spirit nicht, nicht einmal vom fragwürdigen Spirit dieses Projekts“.

In Die Welt schreibt Michael Pilz: „Die verschollenen Aufnahmen Falcos sind ein übler Witz. Zu Mozarts Zeiten landeten missglückte musikalische Versuche im Kamin. In unseren Tagen landet so was im Geschäft. Falco hinterließ nicht nur wegweisende Aufnahmen – vor allem in den Neunzigern veröffentlichte er auch weniger Gelungenes. Aufgrund von Wasserschäden gerät nun sogar Falcos Frühwerk in Gefahr. Das Album ist alles andere als das vermisste Meisterwerk, das Falcos Ruhm vollendet. Es ist kein Bernsteinzimmer, kein Vineta, kein Heiliger Gral. Sondern die haltlose Behauptung, dass man einen Geist nicht töten kann. Das Album klingt wie ein Witz auf Falcos Kosten“.

Und dennoch: Trotz der zweifelhaften und respektlosen Art und Weise dieses Albums stellt die Veröffentlichung der drei vorher noch nicht veröffentlichten Songs (Nuevo Africano, The Spirit Never Dies und Kissing In The Kremlin) zumindest für Falco-Fans einen großen Kaufanreiz dar. Schließlich hatte Falco diese Nummern 1987 aufgenommen und sie – zumindest in einem bestimmten Zeitraum – als für veröffentlichungswürdig empfunden. Natürlich verleihen die Begleitumstände (die Vermarktung als neues Album, die Wasserschaden-Geschichte, der behauptetet Zusammenhang von The Spirit Never Dies mit der Jeanny-Saga) und auch die Materialbeschaffung (Neukompositionen von zwei sinnfreien Instrumentalstücken als Intro und Outro und die beiden Sample-Songs) dem Album aber einen mehr als miesen Beigeschmack.

Und natürlich wäre es 2009 wesentlich authentischer gewesen, hätte man sich auf 1987 entstandenen Aufnahmen konzentriert und diese so nahe wie möglich am Originalsound produziert – unter Weglassung von neuen Tonspuren und hinzugefügten Frauenstimmen etc. Ein solcher Release, bei dem man sowohl die bereits 1988 auf der LP Wiener Blut verwendeten Nummern (Read A Book, Walls Of Silence, Solid Booze und Sand Am Himalaya) als auch die ebenfalls damals entstandenen Titel Poison, Què Pasa Hombre (die ja 1999 schon veröffentlicht wurden), Nuevo Africano, The Spirit Never Dies und Kissing In The Kremlin (die bis 2009 unveröffentlicht waren) hätte verwenden können, wäre dann unter der Marketingschlagzeile „Aya – das Falco-Album von 1987 im Originalsound“ deutlich authentischer und dem verstorbenen Künstler gegenüber eindeutig pietätsvoller gewesen. Eine solche Veröffentlichungsidee, bei der alle neun Songs aus den Mende/Derouge-Sessions so weit wie möglich unbearbeitet als Album auf den Markt gebracht werden, hätte auch heute noch Potential – nicht für die breite Masse, aber für Falco-Fans wäre ein solcher Release, bei dem die Masterbänder unverändert belassen, im Notfall höchstens behutsam restauriert oder ersetzt werden, sicherlich extrem interessant.

Das Album ist heute nicht mehr erhältlich, im Gegensatz zum anderen Kompilationsalbum Verdammt Wir Leben Noch auch nicht mal mehr im Streaming beziehungsweise im Download. Dafür ist sicherlich die erwähnte zwielichtige und die für den Großteil der Songs geltende respektlose Materialauswahl verantwortlich, auch bestehen vielleicht nach wie vor urheberrechtliche Fragen und Unklarheiten. Vielen Fans wird dieses schamlose und sehr unauthentisch zusammengestellte Album nicht abgehen.

Beteiligte

Produced by Gunther Mende
Mixed by Peter Ries & Gunther Mende

Alle songs außer Song 3, 4, 8 und 10:
Engineering: Michael Bestmann
Mastered by Dave McNaire at Sterling Sound NYC
Project management: Horst Bork
Keyboard, programming & orchestra arrangement: Pit Löw, Peter Ries
Guitar & bass: Peter Weihe
Guitar: David Lang
Drums, percussion programming: Gunther Mende
Backing vocalist: Safiya, C. Derouge
Photos: Curt Themessl
Artwork: Katja Huebner, Kommune Art

Songs 1 und 12:
Produced by Peter Ries & Gunther Mende

Songs 3 und 4:
Produced and arranged 1985/86 by Rob & Ferdi Bolland
Engineered by Okkie Huysdens, Roban Freeman and John 'Zorba' Kriek

Songs 8 und 5:
Additional lead vocals: Rietta Austin

Songs 8 und 10:
Produced by Michael Wolff & Gunther Mende
Arranged by MIchael Wolff
Guitar, bass & keyboards: Michael Wolff
Guitar: Steve Jones
Drums: Marco Minnemann
Backing vocals: Rietta Austin, Michael Wolff, Kirsten Wolff, Juliet Wolff