Live Album

Donauinsel Live

Mai 2004
Point Music Distribution

September 2008
Sony Music Entertainmaint Austria GmbH
Charts: #14 AUT (2023), #92 DE (2023)

  1. Les Nouveaux Riches (Live) 3:40
  2. Junge Roemer (Live) 4:31
  3. Auf Der Flucht (Live) 4:13
  4. Der Kommissar (Live) 4:20
  5. Ganz Wien (Live) 5:03
  6. Jeanny & Coming Home (Jeanny Part 2, Ein Jahr Danach) (Live) 6:06
  7. Männer Des Westens – Any Kind Of Land (Live) 3:52
  8. The Sound Of Musik (Live) 5:07
  9. Titanic (Live) 4:19
  10. Vienna Calling (Live) 4:28
  11. Nachtflug (Live) 4:28
  12. It’s All Over Now, Baby Blue (Live) 5:32
  13. Helden Von Heute (Live) 6:32

Über das Album

1992 produzierte Falco mit Rob und Ferdi Bolland sein siebtes Album, Nachtflug. Die Jahre davor waren für Falco nicht gerade von Erfolg gekrönt gewesen. So hatte er nicht nur 1988 eine groß geplante Konzertreihe, die Wiener Blut-Tour, aufgrund von geringem Publikumsinteresse absagen müssen, auch seine letzten zwei Studioproduktionen (die LP Data De Groove anno 1990, sowie ein Jahr später das Remix-Best-Of-Album The Remix Hit Collection) waren gnadenlos gefloppt. Es war daher verständlich, dass Falco im Vorfeld der Veröffentlichung des neuen Albums im Sommer 1992 nicht an eine, die neue LP begleitenden, Tour dachte. Noch dazu, wo die erste Single aus diesem Longplayer, Titanic, lediglich in Österreich erfolgreich gewesen war. Als dann auch das Album außerhalb von Falcos Heimatland keine großen Erfolge feiern konnte, schien das Thema „Falco live“ für alle Zeiten erledigt zu sein.

Dies auch deshalb, weil Falco noch kurz zuvor in Interviews kritisch über solche Live-Pläne sprach: „Mit Leuten, für die Leistung in der Musik nur Schweiß auf der Bühne ist, war ich immer auf Kriegsfuß. Außer Prince könnte derzeit niemand den Aufwand, der hinter der LP steckt, live 100%ig umsetzen. Ich habe ein Problem: Meine Platten sind mit 56 Spuren gemacht. Will ich das live umsetzen, hab ich tägliche Fixkosten von einer halben Million Schilling. Bin ich ein Gewerkschafter für meine Musiker, oder was? Ich bin meinen Fans verpflichtet, aber bitte nicht auf Kosten meiner Existenz. Wenn mich eine Tour fünf Millionen kostet, müsste ich ein Hirnschüßler sein, wenn ich nochmals auf die Bühne gehe. Ich werde es nicht tun. Ich spiele Germany, Austria, Switzerland und vielleicht ein bisschen mehr, will aber denselben Aufwand haben (wie internationale Popstars; Anmerkung). Das rechnet sich nicht“. Im gleichen Interview aus dem Jahre 1991 deutet Falco jedoch eine Alternative an: „Ich würde aber gerne eine kleine Club-Tour machen“.

Genau zu einer solchen Tour im kleineren Maßstab, in kleineren Hallen, kam es dann schließlich im Frühjahr 1993. Warum Falco zu diesem Zeitpunkt dann doch Konzerte geben wollte, bleibt unklar. Sowohl sein Manager Host Bork als auch viele Brancheninsider rieten ihm davon ab, ohne Hit und so lange nach Erscheinen des letzten Albums auf Tour zu gehen. Und in der Tat scheint die Tour mehr eine Art Flucht, ein Aufschieben des nächsten, notwendigen Karriereschritts gewesen zu sein: kurz zuvor hatte Horst Bork das Management Falcos niedergelegt und nach den letzten Misserfolgen war klar, dass die nächste Produzentensuche, die Falco nun alleine, ohne seinen langjährigen Manager, angehen musste, kein Honiglecken werden würde. Auch schien Falco nach der Rückkehr zu Robert Ponger (beim Album Data De Groove) und zu den Bollands (bei der LP Nachtflug), beides Zusammenarbeiten, die erfolglos geblieben waren, verunsichert und ratlos gewesen zu sein, er schien keinen Plan zu haben, wie er seine arg ins Trudeln gekommene Karriere wieder flottbekommen könnte. In dieser Situation erscheint es nachvollziehbar, dass der Hauptgrund für die Tournee derjenige war, dass sich Falco ein bisschen Zeit erkaufen wollte, bevor er mit einem neuen Album viel Arbeit und wenig Erfolgsversprechendes auf sich zukommen sah.

Gleichzeitig ist aber auch anzunehmen, dass der Musik Falco in der Tat wieder mal live auf einer Bühne stehen wollte. So meinte er 1993 in einem Interview: „Die Fans können 100 Minuten Show und mich erwarten, einen lockeren und entspannten Falco. Ich hatte das Gefühl, meinen Fans bisher zu wenig gegeben zu haben. Ich will ihnen beweisen, dass Falco live mindestens so viel zu bieten hat wie auf Platte“. Auch die Tatsache, dass Falco nun in kleineren Hallen vor wenigen Hundert Leuten spielte, wurde von ihm proaktiv thematisiert, nicht immer ganz glaubwürdig: „Nach meiner überlangen Live-Absenz möchte ich mich vorerst auf kein Risiko einlassen. Ich weiß nicht, wie groß mein Live-Publikum jetzt ist, daher gehe ich in kleinere Hallen, die wahrscheinlich auch atmosphärisch besser zu meiner neuen Band passen. Die Tournee soll keine Promotion für die Platte sein, die ist verkauft. Ich wollte eine Tournee mit schlechtesten Vorzeichen, um mal zu sehen, wo ich stehe. Ich denke, dass mir das anerkannt werden wird. Ich weiß nicht, wie ich vom Markt her liege. Das ist die ungeschminkte Wahrheit. Ich habe keine Ahnung, wie viele Leute zu meinen Konzerten kommen werden“.

Die Realität war dann eine durchaus bittere: so kamen zwar zum Konzert im Wiener Bank Austria Zelt rund 3.000 Besucher, bei anderen Auftritten der Tournee waren es jedoch weitaus weniger, so sollen in München überhaupt nur 25 Zuseher gekommen sein. Die Tournee führt Falco nach Österreich, nach Deutschland (München, Schwerin), in die Schweiz (Zürich) und auch nach Ungarn (Budapest), er und seine Band spielten von Mai bis Juni 1993 insgesamt achtzehn Konzerte, das Konzert am Wiener Donauinselfest war dabei der Tourneeabschluss.

Die Band bestand dabei aus fünf Musikern und damit aus der Mindestgröße, die für eine Reproduktion von Falcos Sound mindestens notwendig erscheinen. Die Anzahl an Bandmitgliedern leitete sich dabei sowohl aus wirtschaftlichen, als auch aus kreativen Überlegungen ab, Falco wollte bewusst in den kleineren Hallen einen direkteren, raueren Sound, dass dieser auch billiger zu haben war als eine mehrköpfige Band wie 1986, war sicherlich auch kein Nachteil.

Das Repertoire der Tournee umfasste insgesamt fünfundzwanzig Songs. Sieben Nummern davon stammten aus dem Album Falco 3, sechs aus der letzten LP Nachtflug, von Einzelhaft und von Emotional und von Data De Groove wurden drei Tracks live gespielt. Von Junge Roemer konnte man zwei Stücke hören, von Wiener Blut nur eines.

Das Abschlusskonzert der Tour, der Auftritt am Wiener Donauinselfest am 27. Juni 1993 wurde dabei aufgenommen. Auch dieser Mitschnitt wurde (wie auch das Konzert in Berlin von 1986) erst nach Falcos Tod offiziell auf Ton- und Bildträger veröffentlicht.

Und leider ist auch dieses Konzert kein wirklich vollständiges. So wurde einerseits für diesen Auftritt von Falco selbst die Setliste, also die Anzahl der Songs, gekürzt. Dies passierte aufgrund der Tatsache, dass das Konzert im Rahmen eines Festivals stattfand und die Veranstalter deshalb nicht ein volles Konzert, sondern lediglich einen verkürzten Gig erlaubten, als geplante Dauer waren siebzig Minuten vorgesehen. Da die Konzerte auf dieser Tour jedoch ansonsten bei normalen Auftritten jenseits der 100 Minuten lagen, musste auf viele Songs verzichtet werden. So wurden Monarchy Now (die erste Nummer bei den sonstigen 1993-Konzerten), Neo Nothing – Post Of All, Dance Mephisto, Tricks, The Kiss Of Kathleen Turner, Alles im Liegen, Hoch Wie Nie, Yah-Vibration, Nothin‘ Sweeter Than Arabia, Munich Girls, Time und Anacona `Mour nicht beim Donauinsel-Auftritt aufgeführt.

Auch Rock Me Amadeus wurde nicht gespielt, dies lag jedoch vielmehr darin begründet, dass es während des Konzerts zu regnen begann und sich die Wetterlage danach sehr schnell zu einem gewaltigen Gewitter auswuchs. Beim Song Nachtflug traf dann der Blitz die Bühne, was zu einem sekunden- (auf der Bühne) beziehungsweise minutenlangen (im Publikum) Ausfall der Lautsprecherboxen führte. Dieser Ausfall dauert auf der Bühne lediglich wenige Sekunden, das Publikum hörte jedoch vom Moment des Blitzeinschlags bis zur Zeile „Jetzt der Pfiff“ bei der Nummer Helden Von Heute nur die unverstärkten Klänge von der Bühne. Wenn man bedankt, dass diese Zeitspanne rund neun Minuten dauerte und dennoch niemand im Publikum nach Hause ging, kann man daraus schließen, wie großartig die Stimmung unter den Zusehern bei diesem Konzert war. Schließlich lief so viel Wasser in die Soundanlage, dass die Band Falcos größten Hit ausfallen ließ und stattdessen Helden Von Heute als letzte Nummer des Konzerts performte.

Eine persönliche Anmerkung sei mir hier gestattet: Ich war damals selbst im Publikum und der Grund, warum kein Mensch beim Einsetzen des Regens das Konzert verließ war jener, dass es sich um einen extrem schnellen und unvorbereitet einsetzenden Regenguss handelte und man innerhalb von Sekunden nass bis auf die Haut war – ein Heimgehen hätte also sowieso keinen Sinn gemacht. Und genau diese Jetzt-erst-recht-Stimmung hob die Atmosphäre bei diesem Konzert (im wahrsten Sinn des Wortes) blitzartig um mehrere Ebenen an. Die Temperatur war sommerlich und man war klitschnass – warum also nicht einfach das Beste draus machen und Spaß haben an einem Konzert, bei dem gerade diese ausgelassene Stimmung ab diesem Zeitpunkt das Ausschlaggebende war?

Beide Umstände (die kürzere Festival-Setlist sowie der Ausfall der Soundanlage) führten letztlich dazu, dass es bedauerlicherweise keinen professionellen und vollständigen Mitschnitt von Falcos wohl bester Tour gibt. Nicht nur, dass Falco selbst in guter Form war, auch seine Band funktionierte prächtig und der Zeitpunkt der Konzerte 1993 garantierte, dass Falco Material aus allen zu seinen Lebzeiten erschienenen Alben live aufführen konnte. Das Resultat war ein ausgewogener Mix aus alten und neuen Songs, gleichzeitig ein Greatest Hits-Set und ein Best-Of-Programm.

Aufgenommen wurde das Konzert 1993 vom Österreichischen Rundfunk, welcher traditionellerweise sämtliche Konzerte des Donauinselfests mitschneidet. Vielleicht hier auch noch ein Wort zur Besucheranzahl: Falco tritt bei diesem Gig vor mehr als 100.000 Menschen auf, es ist damit natürlich sein mit Abstand größtes Konzert. Es muss jedoch angemerkt werden, dass der Eintritt beim Donauinselfest grundsätzlich kostenlos ist, das größte Falco-Konzert, bei dem die Besucher auch dafür gezahlt haben, ist der Auftritt am Salzburger Residenzplatz im Sommer 1996, hier versammelten sich zu Falcos Karrierehöhepunkt mehr als 20.000 Menschen. Das Konzert lief im Anschluss an das Donauinselfest auch mehrmals im österreichischen Fernsehen, eine offizielle Veröffentlichung gab es jedoch erst elf Jahre später.

Klangtechnisch aufpoliert beziehungsweise restauriert wurden die Ton-Aufnahmen schließlich nach Falcos Tod von Dietz Tinhof und Thomas Rabitsch, letztere produzierte das Live-Dokument dann auch. Dies passierte 2004, als man dieses Konzert sowohl auf CD als auch auf DVD auf dem Label Point Music unter dem Titel „L.I.V.E. Donauinsel“ veröffentlichte. Beide Formate waren schnell ausverkauft, auch weil es rechtliche Probleme gab, anscheinend wurde vom Label keine Lizenzgebühren an die Rechteinhaber gezahlt und auch Thomas Rabitsch Firma erhielt gerüchteweise kein Geld für Ihre Leistung. Es wurde danach angekündigt, dass es einen neuen, rechtlich sauberen, Release geben würde, das war 2008 der Fall, Sony Music Austria veröffentlichte das Konzert in einem CD/DVD-Set mit dem Titel „Donauinsel Live“. Auch hier waren wieder Dietz Tinhof und Thomas Rabitsch bei der Produktion federführend. Der Sound klingt jedoch bei der Neuveröffentlichung wesentlich besser gemischt und auch sauberer. Im Gegensatz zu Live Forever, dem Live-Album, welches das Konzert 1986 in der Berliner Eissporthalle im Rahmen der Emotional-Tour, beinhaltet, herrscht hier auch ein wesentlich vitaleres, lebendigeres Klangbild vor. Das Konzert klingt organischer und besser produziert. Es ist jedoch gleichzeitig auch anzumerken, dass die Bildqualität bei der Neuauflage schlechter ist als bei der Erstveröffentlichung. Das hängt damit zusammen, dass beim Re-Release zusätzliche Amateurvideoaufnahmen eingebaut wurden. Um die visuellen Qualitätsunterschiede nicht allzu offensichtlich werden zu lassen, verschlechterte man absichtlich die Bilder der ORF-Aufnahmen. Natürlich ist aufgrund des Einbaus von neuen Szenen auch der Bildschnitt unterschiedlich, darüber hinaus bietet die Wiederveröffentlichung nun ein 16:9-Bild.

Beide DVD-Veröffentlichungen beinhalten Bonus Features: während auf dem 2004-Release ein rund 45-minütiger Ausschnitt aus einem Konzert Falcos in der Wiener Stadthalle im Jahr 1985 inkludiert ist (auf dem DVD-Cover steht fälschlicherweise 1986), findet sich auf der 2008-Wiederveröffentlichung eine rund 17 Minuten lange Doku namens „Falco on tour 1993/94“ sowie ein Live-Mitschnitt von „Ganz Wien“, gesungen von Hansi Lang bei einer Falco-Tribute-Veranstaltung.

Die Audioqualität ist bei beiden DVD-Veröffentlichungen ident, der Ton liegt sowohl in 2.0 Stereo als auch in 5.1 Surround vor.

2009 brachte Sony den Konzertmitschnitt auch separat, sowohl auf CD als auch auf DVD heraus. 2013 wurden die Audio-Aufnahmen remastered und digital als Download veröffentlicht. 2018 schließlich folgte dann auch noch eine Veröffentlichung auf Vinyl, hier wurde das Tracklisting um zwei Songs aus dem Album Coming Home – The Tribute ergänzt, man nahm die Nummern Rock Me Amadeus und Europa (beides gesungen von sämtlichen beteiligten Künstlern) als Bonus hinzu. Nicht besonders authentisch, aber naja… Dieselbe ergänzte Version wurde dann schließlich 2023, zum 30jährigen Jahrestag des Konzerts, nochmals auf limitierten silber-rote gesplatterten Vinyl veröffentlicht – diese Ausgabe erreicht mit #14 ihre Höchstplatzierung in den österreichischen Charts.

Wurde die „L.I.V.E. Donauinsel“-Erstauflage von Label Point noch im wenig liebevollen rot/schwarzen Cover-Design gestaltet, bei dem ein Photo von Falco aus diesem Konzert extrem kontrastreich am Frontcover prangt (während man das Backcover nur als chaotisch und wenig stilvoll bezeichnen kann), wurde beim Sony-Release ein paar Jahre später schon hochwertiger vorgegangen. Bei „Donauinsel Live“ wurde für die CD auch ein Konzertphoto Falcos verwendet, dieses ist jedoch glücklicherweise unbearbeitet, der Hintergrund ist bei der CD/DVD-Box rot eingefärbt, bei den Einzelveröffentlichungen verwendet sowohl die CD als auch die DVD das gleiche Sujet, der Hintergrund ist hier jedoch nun grün/blau gehalten. Der remasterte Download verwendet hingegen ein ganz anderes Cover, hier wurde ein Falco-Photo aus eine Studiosession verwendet, das Ganze ist in Schwarz/Weiß gehalten, dahinter wurde eine Menschenmenge und ein bisschen Rot hinein retuschiert. Seltsam, warum man hier nicht die viel besseren Sujets von 2008 und 2009 verwendet hat. Der Vinyl-Release 2018 schließlich kehrt wieder zur roten Originalgestaltung der CD/DVD-Box von Sony zurück. Allerdings wurde das Photo diesmal mit einem gemalt aussehenden Filter bearbeitet, auch nicht gerade eine Verbesserung.

Die Tour kam bei den Kritikern gut an, so schrieben etwa die Salzburger Nachrichten: „Geht es nach jenen seltsamen Leuten, die sich Trendsetter nennen, ist Falco out. Warum und wieso, das weiß niemand so recht. Falco ist das nicht unbekannt. Gerade deshalb macht er derzeit seine wahrscheinlich beste Show. Professioneller, glasklarer Sound, ausgewogene Alt-Neu-Mischung. Der Falke ist in der Form seines Lebens, auch wenn es bei der Nachtflug-Tour statt Tausender vorerst nur Hunderte Zuseher sind. Falco singt von der Titanic und vom Untergang – er selbst ist weit davon entfernt“. Auch Falco war von der Tour und besonders vom Donauinselfest-Konzert sehr angetan: „Das was das wichtigste Konzert des Jahres, es war ein wunderbares Konzert, die Leute waren irrsinnig tapfer, waren nass bis auf die Haut, desto nasser, desto besser wurde es eigentlich. Ich bin sehr stolz und sehr glücklich“.

Dennoch muss man hier feststellen, dass Falco kein klassischer Live-Künstler gewesen ist. Genau wie beim Album Live Forever von 1986 klingt der Sound auch 1993 manchmal sehr brav und bieder und lässt die Schärfe der Studio-Aufnahmen vermissen. Und auch Falcos Charisma war nicht so leicht auf eine Bühne und in ein stundenlanges Live-Konzert übertragenbar. Beim Donauinsel-Konzert wundert man sich einerseits über das Outfit, das ein bisschen an jenes von älteren Männern erinnert, die die Hose immer höher tragen als notwendig. Im Vergleich zu Auftritten 1986 erscheint Falco jedoch ausgeglichener, fitter und lebhafter, auch dies tat dieser Tour und dem Konzert gut.

Falcos Interaktionen mit dem Publikum beinhalten den schönen Spruch „Ist dieses Wien noch mein Wien?“ während des Songs Der Kommissar sowie die Vorstellung der Band während der Nummer Junge Roemer. Der Großteil der Kommunikation erstreckt sich jedoch auf das Wetter und den Blitzeinschlag: „Ihr seid ein Wahnsinn! Es regnet in Strömen und ihr seid da. Ich liebe euch! Vielen Dank!“ Nachdem klar war, dass die Soundanlage vom Blitzeinschlag betroffen war, informiert Falco sein Publikum mit „Wir haben ein bisschen ein Problem, glaub ich. Wir sind noch nicht fertig. Wir checken nochmal die Anlage, ob es geht mit der Anlage. Wenn es geht, spielen wir weiter!“. Schlussendlich muss jedoch auch Falco aufgeben: „Freunde, was sollen wir machen? Die Anlage geht nicht mehr, es ist das Wasser drinnen. Wir probieren noch eine Nummer, wir probieren noch Helden Von Heute. Wenn es geht, geht’s. Wenn es nicht geht, müssen wir uns leider verabschieden“.

Da Falcos Band bei dieser Tournee aus lediglich fünf Musikern bestand, wurden auch einige Nummern musikalisch verändert beziehungsweise in einem anderen Soundgewand aufgeführt. Dies betrifft vor allem Der Kommissar, bei dem mehr Wert auf den Basslauf, und weniger auf das Gitarrenriff gelegt wurde. Auch singt Falco bei dieser Nummer die letzten Refrains in der englischsprachigen Version, die ja 1982 von After The Fire bekannt gemacht wurde. Auch Jeanny wurde verändert, statt dem langen Outro wurde hier der Refrain des zweiten Teils der Saga, Coming Home (Jeanny Part 2, Ein Jahr Danach), am Schluss angehängt. Eine nette und kluge Idee, schließlich bietet sich der Falco-Hit aus dem Album Emotional nicht unbedingt an, ihn als eigenständigen Song vorzutragen.

Es stellt sich die Frage, warum dieses Konzert nicht schon zu Falcos Lebzeiten veröffentlicht wurde. Dies ist jedoch wahrscheinlich damit begründbar, dass weder das begleitende Album Nachtflug, noch die Tournee selbst übermäßig erfolgreich waren. So gesehen hätte wohl auch eine Veröffentlichung einer künstlerisch durchaus gelungenen Tournee wirtschaftlich keinen Sinn gemacht. Jedoch hätte man durchaus Ende 1993 oder Anfang 1994 dieses Konzert bereits auf CD und/oder auf DVD veröffentlichen können. Es war dies nämlich jene Zeit, zu der auch Falcos Plattenfirma EMI spätestens klar geworden sein muss, dass von ihrem Künstler so schnell kein neues Material zu erwarten war. Man hätte also eine solche Live-Veröffentlichung einschieben und so für ein neues Falco-Produkt für die Fans sorgen können.

Allerdings wäre es dann wesentlich klüger gewesen, ein anderes, vollständiges Konzert aufzunehmen. Der Auftritt am 10. Mai 1993 im Bank Austria Zelt in Wien vor mehr als 3.000 Menschen hätte sich dafür idealerweise angeboten. Nicht nur spielte Falco hier ein vollständiges Konzert mit einer Laufzeit von fast zwei Stunden, auch hätte man diesen Gig professionell aufnehmen können, der Mitschnitt vom Donauinselfest durch den ORF war ja nicht gedacht als Aufnahme, die über eine TV-Sendung hinaus, später verwertbar sein soll. So wurde mit nur wenigen Kameras gefilmt und auch der Sound ist lediglich befriedigend aufgenommen worden. Leider scheint es jedoch von keinem der anderen Falco-Konzerte von 1993 einen klangtechnisch ausreichend guten Ton- und Bildmitschnitt zu geben, an eine Aufzeichnung wurde anscheinend von keinem der Beteiligten gedacht, beziehungsweise war ein solcher wohl auch eine Kostenfrage.

Der Release platzierte sich 2008, bei der Veröffentlichung der CD/DVD-Box durch Sony, in Österreich in den Charts, es gelangte bis auf #15.

Von der Presse kamen auf die Veröffentlichung kaum Reaktionen, dies lag wohl daran, dass es von 2007 bis 2009 zu Falcos fünfzigsten Geburtstag beziehungsweise zum zehnten Todestag viele andere Veröffentlichungen (ein neues Best-Of-Album, die Single Chance To Dance, die Symphonic-Releases, neue Remixe von Männer Des Westens – Any Kind Of Land und Die Königin Von Eschnapur etc.) geben hatte und der Markt ein bisschen übersättigt war.

Die Veröffentlichung des Donauinselkonzerts war einerseits naheliegend (es ist das einzige Konzert von 1993, das halbwegs professionell aufgezeichnet wurde, darüber hinaus ist es durch die große Zuseheranzahl, die extremen Wetterverhältnisse und den Blitzeinschlag auch durchaus dramatisch), andererseits stellt es sicher auch für sich allein ein faszinierendes Live-Dokument von Falco in einer Phase dar, in der er wahrscheinlich entspannter und besser drauf war als in den Jahren zuvor und wohl auch nachher. Legendär wurde es jedoch erst durch seinen Tod, davor interessierten sich nur Fans und diejenigen, die das Konzert besuchten hatten, dafür. Als Wehmutstropfen bleibt der Umstand, dass Falco bei diesem Konzert, da es sich um einen Festival-Gig gehandelt hat, lediglich zwei Drittel der ansonsten bei dieser Tournee üblichen Setlist aufgeführt hat. Dass dann auch noch sein größter Hit, Rock Me Amadeus, einem Ausfall der Soundanlage durch einen Blitzschlag zum Opfer fiel, schüttet dann noch zusätzlich Salz in die Wunden der Falco-Fans. Dennoch bleibt der Donauinsel-Mitschnitt wahrscheinlich das einzige Tondokument von Falcos bester Tour, von den anderen Konzerten wird man höchstwahrscheinlich keine soundtechnisch ausreichend gute Aufnahmen mehr finden.

Beteiligte

Band:
Bass: Robert Pistracher
Drums: Tom Lang
Guitar, Vocals: Peter Paul Skrepek
Keyboards, Vocals: Thomas Rabitsch (Bandleader)
Trumpet, Percussion, 2nd Keyboard, Vocals: Bernhard Rabitsch

Produced by Thomas Rabitsch
Mixed by Dietmar Tinhof
Digital audio data restauration by Dietmar Tinhof & Thomas Rabitsch
Photos: Wolfgang Simlinger, J. Cizek
Graphik design: Jörg Eisenprobst, Dynamowien